Schalensteine, Näpfchensteine

aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932

Seit geraumer Zeit haben die Archäologen gewissen Steindenkmälern ihre Aufmerksamkeit zugewandt, die nach der Form der auf ihnen vorkommenden Zeichnungen und Vertiefungen Schalen- oder Näpfchensteine genannt werden. In Schleswig-Holstein vergleicht der Volksmund diese Vertiefungen mit einem Uhrglas; in Dänemark nennt man die Steine nach den Vertiefungen in einem Festgebäck aebleskivestene
(Aepfelscheibensteine). Die Schalensteine sind verbreitet durch ganz Europa und sind auch in Asien und Nordamerika nachgewiesen. Zahlreich finden sie sich in Nord- und Westeuropa in den von Germanen in der Urzeit bewohnten Gebieten. Die roh eingegrabenen Zeichnungen kommen nicht nur auf freiliegenden einzelnen
Steinen (erratischen Blöcken), sondern auch auf anstehenden Felsen vor. Auf skandinavischen Felsen sind mit den Schälchen figürliche Darstellungen untermischt. Wenn auch manche dieser Vertiefungen natürlichen Ursachen ihre Entstehung verdanken mögen, z.B. dem Wasser, das die weichen Teile auswusch, so weisen doch in den meisten Fällen bestimmte Merkmale, verbindende Linien, untermischte andere Zeichen darauf
hin, daß eine künstliche Bearbeitung vorliegt. Ihre Bedeutung ist trotz mannigfacher Deutungsversuche noch nicht sicher bestimmt, doch wird man, solange keine bessere Erklärung sich findet, an einer religiösen Bedeutung der Näpfchensteine festhalten müssen, zumal oft das Radzeichen, das Sinnbild des Sonnenkultus der Germanen, mit den Näpfchen vermengt ist 1). Wo, wie in Schleswig, die Näpfchensteine in prähistorischen Grabhügeln oder als Grabdecksteine vorkommen, ist wohl, wie Mestorf nachzuweisen versuchte, ihre Beziehung auf den Totenkultus (Opfermahl bei den Begräbnisfeiern) kaum anzuzweifeln 2). Der Volksaberglaube verbindet mit den Näpfchensteinen mythische Vorstellungen, die sich in volkstümlichen Benennungen widerspiegeln. So heißen sie in Schweden elfstenar (Elfensteine), elfquarnar (Elfenmühlen), und man glaubt, daß unter ihnen Elben wohnten und sich der Grübchen bedienten, um ihr Mehl darin auszumahlen. Noch heutigen Tages wird in Schweden auf den Eibensteinen geopfert, indem man die Schälchen mit Fett salbt und irgendeine kleine Gabe (Nadel, Münze, Bändchen, Blumen) hineinlegt. Man tut das, um sich vor der Rache der unter den Steinen hausenden sehr empfindlichen „Kleinen" zu schützen, aber auch um bei Krankheiten (hauptsächlich Fieber, Hautkrankheiten) Heilung von ihnen zu erbitten. An Orten, wo kein Schalenstein in der Nähe bekannt ist, schleift man an den Mauern von Kirchen kleine Höhlungen aus; in den so ausgegrabenen Näpfchen an der Marienkirche in Greifswald fanden sich Spuren, daß Fett in sie gerieben wurde; das Fieber wurde in sie von Kranken „hineingepustet". Die Näpfchen an einer Kapelle in Kanton Wallis werden immer tiefer hineingeschliffen, weil das herausgeriebene Ziegelmehl Kranken als Medizin gereicht wird 3). Von dem Näpfchenstein bei Göhren, dem sog. Buskahm (slav. Gottesstein), geht die Sage, die Seejungfern hielten auf ihm in der Johannisnacht Reigentänze ab; wenn heute eine Hochzeit gefeiert wird, begeben sich alle Hochzeitsgäste zu dem Steine und führen auf seiner Platte einen Reigentanz auf. Nach dem Näpfchenstein zwischen Schönebeck und Trampke sollen Riesen vom Sivalinsberge her Kegel geschoben haben 4) (wahrscheinlich ein Erklärungsversuch, wie die runden Vertiefungen in dem Steine entstanden sind). Einer der gewaltigsten und schönsten Schalensteine ist der von St. Luc, in dem sich 360 kreisrunde Löcher befinden. Der Volksmund sagt, Feen hätten ihn aus Rache nachts auf St. Luc herabrollen wollen, sie hätten aber nicht vermocht ihn von der Stelle zu bringen, sie hackten ihre Absätze mit solcher Kraft hinein, daß die Abdrücke zurückblieben, und stemmten ihre Hüften so an, daß die Spuren davon an dem Steine haften blieben 5).

1) Helm Religionsgeschichte 1, 231 u. 173 f.; Hoops Reallexikon 4, 90; Mestorf in MittanthrVer. Schleswig-Holstein (1888) 7, 23. — Ältere Literatur bei Zedler 23, 1407 s. v. Näpfchenstein.
2) Mestorf a. O. 7, 27 (25); 3, 24; 8, 16. (Zfschlesholst.IauenbGesch. 14, 339—344)-
3) eb. 7, 23 f.; Rütimeyer Urethnographie 368 ff.
4) Jahn Pommern 168 Nr. 213; Haas Rügen 71 u. Mönchgut (Progr. Stettin 1905), 13
5) Jegerlehner Unterwallis 181 Nr. 22 (vgl. Oberwallis 307 zu Nr. 22).
Abbildungen bei Helm a. O.; Mestorf 3, 18. u. 7, 25 f.


Olbrich.