STEUB Ludwig, Herbsttage in Tirol, München 1867.
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"Die Tiroler leiden wirklich an dem historischen Ungemach, daß sie für die Freiheit zwar rühmlich zu sterben wußten, aber nicht würdig zu leben verstehen. Als sie seiner Zeit "frei", d.h. wieder kaiserlich geworden, verloren sie sich in einen blöden Servilismus, der niemanden interessirte. Als sie nach langen Jahren wieder von sich reden machten, war es die Verjagung der Zillerthaler, die sie uns als Xenie darbrachten, und jetzt, wenn man von ihnen spricht, betrifft es die altmodische Protestantenhetze. Sie rufen freilich inständigst nach Deutschland herüber: "Redet uns nichts ein! Beurteilt uns nicht, denn wir sind für euch ganz unverständlich" - aber derlei Geschichten versteht man leider überall. Also ist es so weit gekommen, daß man sich fast entschuldigen muß, wenn man jetzt noch in's Tirol fährt. Thäte man's nur um Trauben und Pfirsiche zu versuchen oder um einen alten Katarrh durch Meraner Luft zu heilen, so würde die Kritik noch milder sein; aber wenn man gar gesteht, daß man sich auch auf die Leute freue und daß man dort auch manchen guten Freund zu haben glaube, so kann man leicht verdächtig und als ein nachzügelnder Romantiker verschrieen werden."
(Aus: STEUB Ludwig, Herbsttage in Tirol, München 1867.)
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"Nun aber auf nach Innsbruck, nach der Landeshauptstadt, von der wir um so weniger sagen wollen, je mehr wir von Hall geredet haben. [...] Potentaten, Schriftsteller und Volkshelden dürfen, wenn sie ihrem Handwerkszeichen nachgehen wollen, zu Innsbruck nur im goldenen Adler logiren. Hier kehrten schon manche gekrönte Häupter ein, die ich nicht nennen kann; hier blieb Goethe über Nacht, als er nach Italien fuhr, hier Heinrich Heine, hier endlich auch Andreas Hofer, als er am Mariä Himmelfahrts- und Napoleonstag (15. August 1809) nach der dritten Iselschlacht als "Obercommandant von Tirol" siegreich in die Landeshauptstadt einzog - und hier an diesem Fenster soll er diese meisterliche Ansprache an seine Waffenbrüder gahalten haben, welche bis 1852 geglaubt und erst so spät von Joseph Rapp als unecht ausgegeben wurde."
(Aus: STEUB Ludwig, Herbsttage in Tirol, München 1867.)
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"Die Straße zieht am Kloster Wilten, das der Riese Heimo geründet, vorüber und stiegt dann den Berg Isel hinan, den Zeugen und Träger der Befreiungsschlachten. Von seinen Höhen herunter lassen die Innsbrucker ihre Stadt am liebsten betrachten, denn sie bietet da wahrhaftig einen wunderbaren Anblick. Alsdann geht der Heerweg an der Schupfen vorbei, wo einst der Etschmann gewirthet und der Sandwirth commandirt hat, und tritt endlich in die grausen, aber im Mondlicht zauberhaft dämmernden Schluchten des Schönbergs. Dort drüben über dem fürchterlichen Abgrund, in dem sich die Sill dahinwälzt, zeichnet sich an der Halde eine lange gerade Linie ein, mit mannichfachen Lichtchen geziert, deren einige wandelbar sind, die anderen aber feststehen. Diese Linie ist die Eisenbahn von Innsbruck nach Bozen, welche bald Germanien und Italien verbinden soll, und die feststehenden Lichtchen, zumal wenn deren mehrere zusammen sind, bedeuten, daß da ein kleines Kneipchen aufgeschlagen ist, wo die wälschen Arbeiter von des Tages Mühen ausruhen und sich gütlich thun."
(Aus: STEUB Ludwig, Herbsttage in Tirol, München 1867.)