372 - Beunruhigende Gerüchte


schon in diesen Tagen auf ihn mehr reflektiert als auf irgend einen andern seiner Standesgenossen. Man spricht in Südtirol bereits vom „Generalkommandant" Sandwirt, 1) und in Nordtirol leiten einzelne Hauptleute ihre Berichte an Hofer. 2)

Die Weihrauchwolken der ambrosianischen Dankesfeste waren kaum verflogen, die Orgeltöne kaum verklungen, als böse Kunde sich im Lande verbreitete. Die Kaiserlichen unter Jellachich, so hieß es, hätten München geräumt. Der Schluss lag nahe: da musste Karls Hauptarmee ein Unglück zugestoßen sein. In der Tat waren es die Tage von Abensberg und Eckmühl. Einige, darunter auch Hormayr, sprachen zwar von Siegen des Generalissimus, 3) aber von Tirols Nordgrenze her wollten die Hiobsposten, oft noch die Wirklichkeit übertreibend, nicht mehr verstummen. Aschbacher, der Vorpostenkommandant am Achenpass, alarmierte die Schutzdeputation zu Innsbruck mit folgender Zeitung: „Erzherzog Karl ist auf das Haupt geschlagen und entkam nur durch einen glücklichen Zufall, zwanzig Generale sind tot, der König von Bayern soll wieder in München sein. Nichts ist uns Tirolern mehr übrig als auf Gott, den Schutz aller Bedrängten, und auf unsere gerechte Sache zu vertrauen, entweder zu siegen oder zu sterben. Es ist ja besser, wir sterben als Männer, als wenn wir als entnervte Weiber langsam zugrunde gehen." In tiefster Niedergeschlagenheit wandte sich darauf die Deputation, Hilfe und Ratsuchend, an Chasteler: „Unbeschreiblich bitter und schrecklich ist die Bedrängnis von Nordtirol, das noch gestern durch freilich nicht offizielle Nachrichten von einem herrlichen Sieg des Erzherzogs Karl in die höchste Freude versetzt wurde und heute durch Aschbachers Rapport in die größte Bestürzung versetzt wird. Wir haben zur Bedeckung von Ober- und Unterinntal nur sehr wenig Volk. Geld ist auch nicht vorhanden, selbst bei Partikularen nicht zu bekommen, da schon alle Interessen stocken. Wegen Störung der Zufuhr werden die Lebensmittel schon teuer. Kurz, dieser Teil Tirols sieht einem Abgrund des schrecklichsten Schicksals entgegen, wenn es dem Feinde gelingen sollte, bei einem der Pässe einzudringen und die angedrohte Rache zu nehmen. Freilich vertrauen wir auf Gott, dass er nicht allein unsern Anfang segnen, sondern auch mit einem glücklichen Ausgang krönen wird. Das Volk ist bereit zu siegen oder zu sterben. Aber da wir aller Mittel entblößt sind, so flehen wir

1) So in Briefen des Hauptmanns Joh. v. Schasser in Kaltern (22. April f.) A. D.
2) Margreiter sendet Bericht über Vorgänge bei Rattenberg unter dem 21. April nach Schönberg an Jos. v. Stolz mit dem Bemerk: „ist nach Befund der Notwendigkeit dem Hofer zu überschicken". J. M.
3) Hormayr an Chasteler, Bozen, 29. April (J. M.): „Das Gerücht von der Besetzung Münchens durch die Franzosen hat hier nicht viel geschadet. Es verbreitet sich immer mehr das Gerücht vom Siege des E. Karl." Ein solches verzeichnet zum 29. April auch Hepperger.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 372

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.