244 - Unvorsichtigkeit einzelner Deputierter


zu erzwingen. 1) Nicht viel klüger benahm sich der Kreitter Peter. Zu Hause, im Christlwirtshaus zu Bruneck, angekommen, erzählte er mit wichtiger Miene, er habe den Erzherzog Johann gesprochen und könnte viel reden, wenn er dürfte. 2) Besonders ungeschickt benahm sich Nessing, der Kaffeesieder. Er hatte wohl schon vor der Wiener Fahrt mehr gesprochen, als nötig war. 3) In der Kaiserstadt schimpfte er öffentlich so sehr über Bayern, dass Wiener Briefe nach Bozen davon Meldung machten. Am 19. Februar spät am Abend langte er in seiner Heimatstadt an, begab sich aber nicht in die Wohnung zu seiner alten Mutter, sondern nahm Herberge bei dem ihm befreundeten Hirschenwirt Schnitzer. Hier erfuhr er, dass die Regierungsorgane nach ihm suchten. Am nächsten Tage übergab er der Mutter schnell einige Briefe zur Bestellung und machte sich unsichtbar. Wiederholte Vorrufungen des Landgerichtes konnten ihn nicht mehr erreichen, denn sein Quartier schlug er auf in einer elenden, von klaftertiefem Schnee umsäumten Hütte auf der Laneralm am Fusse der Hornspitze. Sieben Wochen verbrachte er daselbst, bis der Aufstand ausbrach. Zwei Jäger versorgten ihn mit dem Nötigsten und leisteten ihm Botendienste. Denn die Agitationsarbeit, welche er für seine Person übernommen, ließ er nicht liegen. Von seinem Versteck aus korrespondierte er mit den Patrioten am Ritten, im Sarntal, in Barbian, Villanders, Kastelrutt und Tiers. Das war der ihm zunächst zugewiesene Bezirk. Die Bayern erfragten ihn aber auch in Bruneck und Innichen, wo er gesehen worden und aufwieglerisch gewirkt habe. Ihn einzufangen gelang nicht; die Polizei vermutete, er sei über die Grenze entwischt. 4)

1) Kontrollor Johann Wagner in Strub an Lodron, 24. März 1809. Wagner ließ sich dies von der Postmeisterin in Unken erzählen. M. St.
2) Aretin an den König, 25. Febr. 1809, ebend.
3) Danei erzählt folgendes: „Im Febr. 1809 (er reiste nach München zur Bewerbung um eine Kaplanstelle in Loretto) riet mir bei meiner Durchreise die Wirtin in K . . . . n (Kolman), die Reise zu beschleunigen, weil Tirol bis Ostern wieder österreichisch sein würde, man erwarte nur noch den Nessing; wenn der von Wien zurückkomme, sei das Spiel schon gewonnen. Ich lachte darüber und reiste weiter. Ich war aber nicht zwei Stunden auf dem Wege, so begegnete mir Nessing wirklich in einer Postchaise." — In Bozen erzählte man, Nessing habe beim Weggange gesagt, er komme nicht mehr zurück ausser mit den Österreichern. Aretin an den König 8. März 1809.
4) König an Aretin, 26. Februar, Aretin an den König 4. und 11. März, Aretin an Lodron 11. März 1809. Stautners Bericht a. a. O. In seiner Rechnung führt Nessing 84 G. auf „für abgeschickte vertraute geheime Ordonnanzen an die Gerichte vor dem Aufstand zum Aufgebot“. — In dem gegen Nessing erlassenen Steckbrief heißt es (M. St.): „Seine Hauptleidenschaft ist Schießen und Jagen, Geistesgaben hat er nicht besonders, aber er weiß viele Gebirgsstege. Im letzten Krieg hat er sich bei den kaiserlichen Truppen aufgehalten; er zählt 34 Jahre und geht vorhängend, das kommt vom vielen Bergsteigen."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 244

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.