Der Wechselbalg

Eine Mutter hatte einmal ein liebes zartes Kind. Da war ihr eine Zwergin drum neidig, und sie stahl ihr heimlich das schöne Kind und legte ihr dafür ihr eigenes in die Wiege, und das war überaus grauslich, es hatte einen großen Schädel und Froschaugen und einen dicken Kropf und fraß, daß es kaum zu erfüttern war. Als die Mutter den Wechselbalg fand, weinte sie, daß es hätte einen harten Stein erbarmen können, aber die Zwergin gab ihr das liebe Kind nicht zurück. Alles Bitten und Betteln half nichts, der abscheuliche Fratz lag in der Wiege und plärrte boshaft. Da kochte die Mutter ein Gebräu und goß hernach das Bier in ein leeres Hühnerei und brachte es dem Schreihals. Gleich wurde er still und konnte auf einmal reden und sagte:

"Ich bin so alt
wie der Böhmerwald
und hab in mein Leben
solchen Brauch nit gesehen."

Da hatte sich der Wechselbalg verraten und verschwand. Die Zwergin aber mußte das liebe Kind wieder zurückbringen.

Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)