Maria Schnee [Dolní Dvořiště]

Wie die traute Gottesfrau mit ihrem Kind auf der Flucht war, kam sie auch in den Böhmerwald. Da rastete sie auf einem Felsen, und der harte Stein wollte ihr ein Liebes tun und schmiegte sich an ihren heiligen Leib an, und heute noch sieht man den steinernen Sessel mit der hohen Lehne und dem Fußschemel stehen auf dem Großen Zwickelberg bei Unterhaid. Aber ein Bauer ackerte dort, und wie sein einfältiges Vieh die himmlische Mutter erkannte, wollte es nicht vorüber. Der Bauer fluchte und schlug die Ochsen, das tat der scheuen Frau leid, und sie ging davon und blieb auf einem andern Hügel, dem Kleinen Zwickelberg, dort wusch sie an einem Brunn dem Gottesbüblein die Windeln und bleichte sie auf der Au, und heute noch bleibt darum auch im härtesten Winter der Fleck um den Brunnen ohne Schnee. Den ganzen Sommer weilte unsere liebe Frau dort und brockte Blumen und Haselnüsse, aber wie es herbstelte, schnalzten die Hirten mit den Peitschen und störten ihrem zärtlichen Kind den Traum. Drum reiste die heilige Maria weiter in eine einsame Gegend bei Reichenau, und dort fanden sie fromme Leute mitten im Schnee auf einem Stein sitzen und bauten ihr die Kirche Heiligenstein.

Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)