Das Teufelsgemälde in Bratislava

Das Alte Rathaus in Bratislava steht am Hauptplatz und gehört zu den ältesten Gebäuden der der Hauptstadt der Slowakei. Große Veränderungen erhielt das Gebäude unter Ferdinand I. (1547). Damals entstanden auch die schmalen spitzen Fenster mit einem Erker, die sich an der Vorderseite des Rathauses befinden. Dicht an dem rechten Fenster lehnt ein, mit lebendigen Farben gemalter Greis in langem schwarzen Rock und mit silberweißem Bart, ganz vertieft in ein vor ihm aufgeschlagenes Buch. Dieses Bild, das jahrhundertelang jeglicher Zerstörung standgehalten hat, ist die Abbildung eines Preßburger (Preßburg = vorheriger deutscher Name der jetzigen Hauptstadt der Slowakei) Bürgers und Ratsherren. Das Bild soll der Teufel in einem Augenblick an die Wand hingeschmissen haben.

Am Ende des 4. Jahrhunderts lebte zu Preßburg ein sehr einflussreicher Mann, den man nicht liebte, auch nicht ehrte, sondern man fürchtete ihn sehr. Als ein armer Knabe war dieser Gefürchtete nach Preßburg gekommen, aber woher, das wusste niemand. Was man ihm anvertraute, geschah. Wer gegen ihn auftrat, unterlag. Er wollte seinen Willen, Widerstand verzieh er nie. Er scharrte Schätze zusammen. Aber für wen? Er hatte keine Familie, keine Verwandten und keine Freunde.

Einst saß der hohe Rat der Stadt beisammen, um Recht und Gerechtigkeit den Unterdrückten zu schenken. Da stürzte ein armes Weib jammernd in den Gerichtssaal. „Kümmerlich“, so lautete ihre Klage, „hätten sie und ihr Mann mit häufigen Unfällen und unaufhörlichen Verfolgung ringend, sich ernährt von der schweren Arbeit ihrer Hände und vom Ertrag eines kleinen Grundstückes, das an das Eigentum eines riesigen Bürgers grenze. Vor drei Tagen sei ihr Mann verstorben. Der reiche Nachbar habe ihr das Feld zur Vergrößerung seines Besitzes gewalttätig entrissen. Sie rufe zu Gott und zu den Vätern der Stadt um Schirm wider das himmelschreiende Unrecht. Leider aber sitze der Räuber mitten in ihrem ehrenwerten Kreis. Es sei jener gefürchtete Ratsmann.“

In der Versammlung machten sich dann verschiedenartige Emotionen bemerkbar. Der Beklagte schien ungerührt in der Verhandlung. Ohne aufzusehen, zog er zum Beweis eine Pergamentrolle heraus: seit vielen Jahren sei dies Grundstück rechtmäßig von ihm erworben, aber einst dem Manne der Klägerin für einen geleisteten Dienst zu lebenslangem Nutzen überlassen worden. Weil er nun tot sei, nehme er sein Eigentum zurück. Das könne niemand stören!

Die arme Frau war damit selbstverständlich nicht einverstanden. Offenkundig sei es der ganzen Stadt, dass jenes Grundstück nicht nur im Besitz ihres Mannes war, sondern es gehörte schon seinem Vater und Großvater. Besage die Urkunde anderes, so sei sie ein verfälschtes Machwerk unheilvoller Lüge.

Im Rat erhoben sich Zweifel über die Echtheit oder Unechtheit des vorgelegten Kaufbriefes, dann aber wogte endlich die Mehrheit dem Unterdrücker zu. Da rief das Weib mit verzweifeltem Händeringen: „ihr mächtiger Gegner solle sein Recht durch einen feierlichen Eidschwur erhärten. Vermöge er mit festem Bewusstsein seine Rechte zum Himmel empor zu heben, so möge das Feld sein bleiben, ihr nur die Barmherzigkeit Gottes!“

Langsam, aber doch entschlossen erhob sich der finstere rätselhafte Mann, schritt gesenkten Hauptes an das Ende des Tisches vor das Ebenbild des Gekreuzigten, schlug auf das Buch des Gesetzes, und las mit seiner Grabesstimme die furchtbar ernsten Worte des Eides. Er hatte eben geendet, und erhob nun die Rechte zum Schwur.

Da ertönte auf einmal ein Schlag, dass die Erde bebte und die Türme sich zu neigen schienen, alle Anwesenden erstarrten und erschienen blass gleich aufgerichteten Leichnamen, Stürme pfiffen heulend durch die Ritzen, rüttelten und klingelten an den Fenstern, wunderliche Töne schrien aus den Mauern hervor.

In wenigen Augenblicken war die Realität in die Versammlung zurückgekehrt, aber der gefürchtete Ratsmann war aus ihrer Mitte verschwunden. Eine große Öffnung an einem Seitenfenster zeigt die Stelle, wo der Böse den Frevler für die Hölle hinweggeholt, und zur Warnung des Meineids – in lebendigen, so oft man es auch versuchte, stets unvertilgbaren Zügen, sein schaudererregendes Ebenbild zurückgelassen hat.

Bearbeitet nach der Sage: Das Teufelsgemälde zu Preßburg von Jana Judinyová.

Quelle: Erzählungen, Sagen und Legenden aus Ungarns Vorzeit von Alois Freiherrn von Mednyánzsky. Pesth, herausgegeben bei Konrad Adolph Hartleben, 1828, S.450 – 456.