Die Pfaffenkellerin
Im Luzernerbiet und im nahen Schwyzerland hört man heute noch viel von der sogenannten Pfaffenkellerin erzählen. Auch im Zugerland hat sie vor Jahren ihr Unwesen getrieben. Zu Lebzeiten muß sie bei einem geistlichen Herrn Haushälterin gewesen sein. Als im Kirchspiel ein lediges Kindlein geboren wurde, bat man sie als hübsche Gotte zur Taufe. Da aber die Haushälterin ein gar eitles Geschöpf war und sich nicht genug zieren und frisieren konnte, verpaßte sie ob ihrem langen Tun und Schmücken die Taufstunde. Das Kindlein starb ohne Taufe. Bald darauf verfiel die Haushälterin einem jähen, unversehenen Tode. Seither mußte sie nun als arme Seele unter furchtbarem Gestöhn und Wimmern durch die pechschwarzen Nächte wandern, während ihre ungekämmten Haare wild im Nachtwind flatterten.
Im Roßweidli auf dem Zugerberg hat man sie oftmals klagen gehört.
Drei Walchwilertöchter halfen den dortigen Bauern in strengen Zeiten
gern und freudig bei den mühsamen Landarbeiten. Diese drei emsigen
Helferinnen waren allgemein beliebt, weil alle überaus bereitwillig
waren und über gar riesige Arbeitskräfte verfügten. Es
war an einem Samstagabend. Im Roßweidli war man eifrig mit der Kirschenernte
beschäftigt. Als es aber anfing zu dunkeln, beschloß man die
Arbeit ruhen zu lassen und heimzugehen. Die Älteste der Walchwiler
Jungfern wollte aber noch ihr Körbchen mit den schmackhaften Baumfrüchten
füllen. Man warnte sie vor der Pfaffenkellerin, die des Nachts umgehe.
Aber alles Warnen war umsonst, die Walchwilerin blieb bei ihrem Baum und
sammelte die lockenden Kirschen. Die andern kehrten heim. Nach kurzer
Zeit hörte man ein Rufen und das Walchwilermädchen stürzte
in die Bauernstube. Ihr Gesicht war schreckensbleich, sie zitterte am
ganzen Leib und konnte vor Angst und Schreck lange kein Sterbenswörtchen
sagen. Dann aber erholte sie sich und erzählte, wie urplötzlich
die fürchterliche Pfaffenkellerin erschienen sei und sie mit aller
Gewalt hätte in das nahe Bachtobel herunterzerren wollen.
Quelle: Hans Koch, Zuger Sagen und Legenden, Zug 1955, S. 78