453. Der Säge-Giger.

Im Aufeld liegt seit alter Zeit eine Säge. In dieser wohnte einst ein Mann, welcher in der Fasnacht und zur Kirchweih den jungen Leuten zum Tanze aufspielte. Man nannte ihn, weil er bei solchen Anlässen stets mit seiner Geige erschien, den Säge-Giger. Er war aber ein liederlicher Bursche, der sich oft betrank und dann dem Unvernünftigen gleich tat.

Allein sein wüstes Treiben fand ein jähes Ende. Als er einst seine Tanzgeige bis in den frühen Morgen hinein hatte ertönen lassen, begab er sich betrunken auf den Heimweg. Er irrte vom Wege ab, und am Morgen fand man ihn tot im Sagebach. Seine Glieder waren starrgefroren und die Geige, auf die er gestürzt war, zertrümmert. Man begrub ihn in einer abgelegenen Ecke des Friedhofs, wo sonst nur die Selbstmörder bestattet wurden, ohne Sang und Klang. Aber er fand in seinem Grabe keine Ruhe. In der heiligen Zeit (vor Weihnachten) hörte man oft die klagenden Töne seiner Geige,. Der Säge-Giger war aufgestanden und wandelte um Mitternacht geigend nach dem Aufeld bis an den Fuß des Rachlis und wieder zurück unter die alte Dorflinde von Mosnang, wo die Fidel verstummte und der Geiger wieder hinabstieg in das Reich der Schatten.                                                                          
C. Huber.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 453, S. 268
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