339. Der Röllbach

Die Eigentümer der Alp Mädems hatten einmal einen Markenstreit gegen die Flumser. Die einen behaupteten, ihr Eigentum gehe weit über den Röllbach hinaus; die andern aber sagten, dieser Bach bilde die Alpgrenze.

Der Streit kam vor den Richter. Als man beim Augenschein auf dem streitigen Boden stand, trat ein beteiligter Mann hervor, welcher einen Löffel unter seinem Hute und Erde aus seinem Garten in den Schuhen hatte, und tat den Schwur: „So wahr der Schöpfer ob mir ist, stehe ich hier auf meinem eigenen Grund und Boden!"

Auf dieses hin trugen die Flumser den Sieg davon. Seither hat man aber oft in stürmischen Nächten von der benannten Stelle her den Ruf gehört:

„Röllbach! Rüllbach!
Zeig die rechte Ziel und March!"

Das Urteil liegt gegenwärtig noch in Händen eines Flumserbergers.
J. Natsch

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Der Meineidige muß zur Strafe auf feurigem Roß auf- und abreiten und ruft mit schauriger Stimme: „Rölli- Röllibach, du bist den Flumsern rechte Ziel und March!"
J. B. Stoop.

 

Der Wagenlochhund. Am Röll, an unheimlicher Stelle hinterm Wagenloch, liegt zu gewissen Zeiten am Kirchweg ein schwarzer Hund mit feurigen Augen, das Gespenst eines Weibes, das dort ein ungetauftes Kind ausgesetzt hat und dafür wandeln muß.
J . B. Stoop

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Im Röllsutt, einer düstern, felsigen und waldigen Strecke am Roll, geht öfter das „Gräggi" durch. Dann glaubt man bald das Geschrei von Kindern, das Gequieke von Schweinen, bald das Bellen und Hetzen von Hunden, das Rauschen des Sturmes und das Krachen brechenden Holzes zu hören. Die Bewohner der naheliegenden Güter ziehen vor Angst schwitzend die Decke über den Kopf und sprechen den schützenden Spruch: „Alle guten Geister loben Gott, den Herrn." Das ist Wodans wilde Jagd.
J . B. Stoop

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 339, S. 190
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, September 2005.