237. Der Gemsjäger und der Klostermönch.

Gegen die monatliche Abgabe einer Gemse wurde den Jagdliebhabern von Vättis die Erlaubnis erteilt, dem edlen Waidwerk obzuliegen.

Ein armer Jäger hatte vergebens einige Tage den Gemsen nachgestellt; da begegnete ihm in einem abgelegenen Reviere ein schöngekleideter Mann, der ihm sagte, daß er ihm zum Glück verhelfen wolle. Er lernte von dem Fremden das Bannen und war ohne Absicht ein Schwarzkünstler geworden.

Alltäglich wurde eine Gemse erlegt; denn es floh keine mehr, und der Wohlstand in der Familie wuchs zusehends. Ein frommer Mönch von Pfäfers, "der saubere Schuhe anhatte", hörte hievon und beschloß, mit dem Teufel einen "Hosenlupf" zu machen und den Mann zu retten. Er begab sich deshalb mit dem Jäger auf die Jagd. Bald stellte sich eine Gemse zum Schuß. Der Jäger musste die Büchse auf des Mönches Schulter auflegen. Dieser tat es, drückte aber nicht los; denn er sah, wie der Teufel die Gemse am Halse festhielt. Mönch und Jäger gingen ohne Wild heim, und dieser ist nie mehr auf die Jagd gegangen.
L. Jäger.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 237, S. 118
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Juli 2005.