408. Die drei Kreuze auf dem Hurdenfelde.

Einst waren drei Burschen von Rapperswil in weiter Ferne und kehrten abends bei einem alten Mütterchen am Wege ein, Überm Essen redeten sie vom lieben Schweizerlande und der freundlichen Halbinselstadt, wo sie geboren, und äußerten von Herzen den Wunsch, dort zu sein und die monatlange Reise ersparen zu können, um die alten Eltern schneller zu grüßen. Die Wirtin meinte, da könnte wohl Rat werden und zauberte die drei Jungen in einen Schlaf. Als sie aus selbigem erwachten, wollte eben der Tag aufgehen, und sie hörten ein Glöcklein klingen. "Ei", rief der eine verwundert aus, "wär's nicht so viele Meilen, wie wollt ich wetten, das sei das Kapuzinerglöckchen zu Rapperswil, und es läute zur Morgenmette!" Kaum hatte er's gesagt, so fanden sie, daß sie sich auf freiem Felde befanden und zwar bei Hürden, einem Dörfchen im Kanton Schwiz, und sahen Rapperswil drüben am See. Erstaunt bekreuzten sie sich, dankten Gott, kehrten zu den Ihrigen und errichteten dann an dem Orte, wo sie erwacht, drei hölzerne Kreuze, die heute noch stehen.                  
H. Herzog, Schweizersagen.

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Drei Handwerksgesellen, alle aus Rapperswil gebürtig, hatten sich zusammen im Böhmerwalde verirrt und flehten in großer Angst die Mutter Gottes um Rettung an. Darauf legten sie sich wunderbar getrost unter einen gewaltigen Baum und fielen bald in den gesundesten und tiefsten Schlaf, aus dem sie auch nicht erwachten, als die Mutter Gottes, ihr brünstig Gebet erhörend, alle drei in raschem Fluge gen Hürden trug, wo sie sich bei der aufgehenden Sonne befanden. Sie trauten natürlich ihren Augen kaum. Das Wunder war indessen geschehen, und dankbar pflanzte jeder der Geretteten zum Gedächtnis desselben ein hölzernes Kreuz auf den Hügel, der ihnen als Lagerstätte gedient hatte.                               
Reithard.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 408, S. 236
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