Aus dem Schwabenkrieg
5. Die Versöhnung

Einst hatten sich die beiden Hauptleute Zurkinden von Zürich und Arnold Winkelried von Unterwalden, ein Nachfahr des Helden von Sempach, beleidigt. Seither haßten sie sich grimmig. Man durfte sie nie zusammenkommen lassen, denn allzeit fürchteten ihre hierüber betrübten Eidgenossen, sie würden sich gleich aufeinanderstürzen und töten.

Aber als nun der Schwabenkrieg ausbrach, kamen sie mit den Pannern ihrer Länder beide ins gleiche Lager.

Die Hauptleute hatten hierwegen große Befürchtungen. Sie beschieden beide vor sich und redeten ihnen ernstlich zu, sie möchten doch der Not des Vaterlandes eingedenk sein und wenigstens den Frieden im Lager nicht stören. Nach dem Kriege könnten sie dann ihren Streit mit dem Schwerte in männlichem Zweikampfe ausfechten. Beide versprachen es.

Bald danach wurde Winkelried, der sich bei einem Streifzug in Feindesland zu weit vorgewagt hatte, von den Kriegern Kaiser Maxens völlig umringt und stand in höchster Gefahr, gefangen zu werden. Das vernahm der Zürcher Zurkinden, sein Todfeind. Er brach mit den Seinigen aus dem Lager auf und fuhr bald wie das Donnerwetter über die Österreicher her, jagte sie in die Flucht und rettete also den arg bedrängten Unterwaldner, was diesem tief zu Herzen ging. Doch zogen sie kalt und fremd in ihr gemeinsames Lager zurück.

Aber bald danach ritt Arnold Winkelried in voller Rüstung auf einem prächtigen Hengst, den er den feindlichen Reitern abgenommen, vor die Zelte der Zürcher und rief mit gewaltiger Stimme den Zurkinden heraus.

Nicht lange stand es an, so ritt auch der Zürcher wohlgeharnischt und bewehrt aus seinem Gezelt, denn er glaubte, daß nun der Unterwaldner den alten bösen Span mit ihm ausfechten wolle. Unmutig und betrübt traten nun die eidgenössischen Hauptleute dazwischen. Aber da sprang Arnold Winkelried lachend vom Pferde, führte es auf den verwunderten Zurkinden zu und sagte: "Sei unbesorgt, ich komme in guter Meinung. Ich will meinem Retter danken, und seinen Dienst kann ich nicht unvergolten lassen. Nimm diesen Hengst von mir an." Jetzt stieg auch der Zürcher vom Pferd. Sie umarmten sich vor den versammelten Hauptleuten und hielten von da an treue Freundschaft.

Quelle: Meinrad Lienert, Schweizer Sagen und Heldengeschichten, Stuttgart 1915.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Jänner 2005.