DER KNECHT VOM THOMANBAUER

Einmal hat der Graf einen Gesandten zum Thoman-bauern geschickt und ihm ausrichten lassen: "Stell morgen zwölf Knechte zum Kornschneiden auf dem Vogtacker ab, weil diese Arbeit an einem Tag getan werden muss." Der Thomanbauer ist daraufhin zum Grafen gegangen. "Herr Graf, ich hab nur einen Knecht - wie kann ich dir da zwölf schicken?", hat er gefragt. Der Graf antwortete: "So muss die Arbeit eben ein Knecht bis zum Abend schaffen. Geschieht das nicht, sperr ich dich ins Burgverlies, und du siehst das Tageslicht nimmer!"

Der Bauer ist traurig heimgegangen und hat alles seinem Knecht erzählt. Der Knecht, der Jörgel, antwortet: "Sorg dich nicht, das Kornfeld schneid ich schon allein!"

Am anderen Morgen ging der Knecht zum Grafen und fragte: "Wo ist das Kornfeld, das ich schneiden soll?" Da konnte es der Graf kaum fassen. Er sagte zu dem Knecht: "Schneidest du bis zum Ave-Läuten das ganze Feld, gehört alles Korn dir und dem Bauern. Bringst du die Arbeit aber nicht fertig, lass ich dich auspeitschen."

Der Knecht fuhr mit der Sichel durch das reife Korn, dass die Halme fielen wie unter zwölf Sicheln. Zur Jausenzeit war ein Viertel des Ackers geschnitten. Aber der Tag wurde heiß. Als die Essensglocke läutete, waren vom halben Acker die Garben schon gebunden. Der Knecht nimmt sich zum Essen nicht Zeit, und bis zum Nachmittagstrunk liegen drei Viertel unter der Sichel. Der Knecht trinkt schnell einen Krug Most leer. Und richtig, bis zum Ave-Läuten hat er das ganze Korn umgelegt.

Jetzt ist dem Grafen doch um das schöne Korn leid gewesen. Er sagt: "Das Korn ist dein, wenn du's auf einmal vom Acker wegtragen kannst!" Da ist der Knecht heimgelaufen, hat das große Leintuch von seinem Bett gezogen, auf dem Acker ausgebreitet und Garbe um Garbe das Korn aufs Leintuch gedroschen. So haben die Körner richtig in dem großen Leintuch Platz gefunden. Er hat's auf die Achsel geschwungen.

Der Graf hat zornig gesagt: "So ist's nicht gemeint gewesen! Du hättest die Garben nicht auf dem Acker dreschen dürfen!"

Der Knecht sagte nur: "Geh mir aus dem Weg, Herr Graf!" In seinem Zorn hat der Graf einen wilden Stier losgelassen. Der ist gleich mit den Hörnern auf den Knecht losgegangen. "Dich trag ich auch noch mit!", hat der Knecht gebrummt, hat den Stier auf den Kornsack geschwungen und zum Bauern getragen.


Quelle: Sagen und Geschichten aus dem Lesachtal, gesammelt und niedergeschrieben von den Schülern der 2. Klasse der Hauptschule Lesachtal Schuljahr 2000/2001, unter den Anleitungen von Hans Guggenberger und Edith Unterguggenberger