DER WEICHENBUSCH

Am Mariae himmelfahrtsfeste (15. august) läßt jeder bau-er ein büschel alpenkräuter und blumen (weichenbusch) vom pfarrer weihen, um, wenn das vieh behext wird, demselben davon einzugeben, oder bei einem gewitter durch verbrennen dieser kräuter es zu vertreiben. der weichenbusch hat aber folgenden entstehungsgrund:

vor zeiten war das ganze Lesachthal nur eine albe und von wenigen hirten bewohnt. da kam zu einer hirtentochter öfters ein fremder mann im grünen gewande und schwatzte ihr ein langes und breites vom heirathen vor. einmal kam er gar zur nachtzeit und wollte das gute kind auf die abiche seite bringen, auf einmal bemerkte das mädchen aber, daß der fremde mensch, über den rücken abaus ganz hohl war als wie ein trog, und gieng am nächsten tage St. Daniel im Gailthale zum dortigen pfarrer ihm die ganze geschichte erzählen. der pfarrer erkannte im fremden menschen gleich 'das gangerle' und sagte zu dem um rath bittenden mädchen: der teufel ist nicht hinterlistig, sondern sehr dumm; wenn er wieder kommt, stelle dich recht freundlich und frage ihn nur, was er am meisten fürchte. den rath befolgt die hirtentochter, legt dem teufel die frage vor, und er antwortet: 'hobrat (arabratum), widertot und speik ist gut für´s alpenreiten.' mit dieser auskunft und den drei genannten stücken läuft das mädchen nun zum pfarrer, welcher die kräuter weiht, und dem gläubigen kinde an den hals bindet. als der teufel in der nächsten nacht wieder kommt, läßt er ein furchtbar gepolter los, und läuft unter feuer und flammen davon. von dieser zeit an lassen die bauern alle jahr einen busch alpenkräuter weihen, und von rechtswegen soll in jedem hobrat, widertot und speik dabei sein.


Der aus Liesing stammende Germanist und Sprachforscher Prof. Dr. Matthias von Lexer (1830 - 1892) verbrachte seine Ferien meistens auf der Alm als "Zuepate" (Jemand, der dem Hirten behilflich ist). Aus dieser Zeit rühren drei Sagen aus dem Lesachtal, die ihm ein Hirte erzählt haben soll. Diese veröffentlichte er in "Frommann´s Mundarten" (1855). Lexer war damals ein vehementer Verfechter der Kleinschreibung und hat die Sagen in dieser Form festgehalten.


Quelle: Sagen und Geschichten aus dem Lesachtal, gesammelt und niedergeschrieben von den Schülern der 2. Klasse der Hauptschule Lesachtal Schuljahr 2000/2001, unter den Anleitungen von Hans Guggenberger und Edith Unterguggenberger