Schlacht der Götter und Menschen

Im Olymp hatte Zeus eine Götterversammlung berufen, in welcher er den Olympischen erlaubte, beiden Teilen, Troianern und Griechen, zu helfen, wie einen jeden die Gesinnung triebe, denn wenn Achilles, ohne daß die Götter Anteil an der Schlacht nähmen, die Troianer jetzt bekämpfte, so würde er selbst gegen das Schicksal Troia auf der Stelle erobern. Auf dies Zugeständnis gingen die Götter sogleich zweierlei Wege: Hera die Göttermutter, Pallas Athene, Poseidon, Hermes und Hephaistos eilten zu den Schiffen der Griechen; Ares ging unter die Troianer und mit ihm Phoibos und Artemis, beider Mutter Leto, der Flußgott Skamander, bei den Göttern Xanthos genannt, und Aphrodite.

So lange die Götter sich noch nicht unter die heranrückenden Heere gemischt hatten, trugen die Griechen das Haupt hoch, weil der schreckliche Achilles wieder in ihrer Mitte war. Den Troianern zitterten die Glieder vor Angst, als sie von ferne den Peliden in seinen blinkenden Waffen erblickten, dem furchtbaren Kriegsgott ähnlich. Plötzlich aber erschienen die Götter in beiden Heeren und drohten den Kampf wieder unentschieden zu machen. Da stand Athene bald außerhalb der Mauer am Graben, bald am Meeresstrand und ließ ihren mächtigen Ausruf hören. Auf der anderen Seite ermahnte Ares bald von der obersten Höhe der Stadt die Troianer brüllend wie ein Sturm, bald durchflog er die Reihen am Simoeisfluß. Durch beide Scharen tobte Eris, die Göttin der Zwietracht, dazu donnerte gräßlich vom Olymp herab Zeus, der Beherrscher der Schlachten, Poseidon erschütterte die Erde von unten, daß die Häupter aller Berge und die Wurzeln des Ida wankten, und Pluton selbst, der Fürst der Nacht, erschrak und bebend vom Throne sprang, weil er fürchtete, ein Erdriß möchte sein geheimnisvolles Reich Sterblichen und Göttern offenbaren. Nun stellten sich die Götter einander unmittelbar im Kampfe entgegen; dem Meergotte Poseidon begegnete Phoibos Apollon mit seinen Pfeilen, dem Kriegsgotte Pallas Athene, der Göttermutter Artemis mit dem Bogen, Hermes der Leto, dem Hephaistos Skamander.

Während so Götter auf Götter zurückten, suchte Achilles im Gewühl nur den Hektor auf, Apollon aber, in den Sohn des Priamos, Lykaon, verkleidet, schickte ihm den Helden Aineias entgegen, daß er von Mut beseelt, im schimmernden Erzpanzer, schnell in die vordersten Reihen vordrang. Doch blieb der Held im Getümmel der Heranziehenden nicht unbemerkt von Hera; schnell sammelte sie die ihr befreundeten Götter um sich und sprach: "Überleget ihr beide, du Poseidon und Athene du, wohin unsere Sache sich jetzt wende. Dort kommt, von Phoibos gereizt, Aineias gegen den Peliden angestürmt; diesen müssen wir entweder verdrängen, oder es muß einer von uns die Kraft des Achilles erhöhen, daß er spüre, die mächtigsten Götter seien mit ihm. Heute nur soll ihm nichts vom Troianervolk geschehen, nur deswegen sind wir alle ja vom Olymp herabgekommen. Künftig mag er dulden, was die Parze ihm bei seiner Geburt gesponnen hat." -"Sei besonnen, Hera", erwiderte Poseidon, "ungern möchte ich, daß wir, ich und ihr anderen, vereinigt gegen die Götter anrennten, es wäre nicht ziemlich, denn wir sind die weit überlegenen; laß uns vielmehr abseits vom Wege dort auf die Warte uns niedersetzen. Wenn aber Ares oder Apollon zuerst den Kampf anheben, wenn sie den Achilles hindern und sich nicht frei im Streite bewegen lassen, alsdann haben auch wir ein Recht, am Gefecht teilzunehmen, und gewiß kehren unsere Gegner dann, von unserer Kraft gebändigt, eilig in den Olymp zur Schar der anderen Götter zurück!" Der Meergott wartete nicht auf die Antwort, sondern schüttelte seine finsteren Locken und ging voran auf den Wall des Herakles, den vor Zeiten Pallas und die Troianer diesem zum Schütze gegen die Meerungeheuer aufgetürmt hatten. Dorthin eilte Poseidon; die anderen Götter folgten ihm, und hier saßen sie nun, die Schultern in undurchdringlichen Nebel gehüllt. Gegenüber auf dem Hügel Kallikolone setzten sich Ares und Apollon, und so saßen die Unsterblichen säumend und sinnend, getrennt, aber kampfbereit und nicht ferne voneinander.

Unterdessen füllte sich ringsum das Gefilde und strahlte vom Erz der Streiter und der Wagen, und der Boden dröhnte vom Fußtritte der Herankommenden. Doch bald erschienen zwei Männer, einer aus jedem Heer, kampfbereit hervorgerannt: Aineias, der Sohn des Anchises, und Achilles, der Pelide. Zuerst schritt Aineias heraus; vom schweren Helme nickte sein Federbusch, den riesigen Stierschild hielt er vor die Brust und schwenkte seinen Wurfspieß drohend. Als der Pelide dies sah, drang auch er wie ein grimmiger Löwe mit Ungestüm vor. Als sie ganz nahe aneinander waren, rief er: "Was wagst du dich so weit aus der Menge hervor, Aineias? Hoffst du etwa das Volk der Troianer zu beherrschen, wenn du mich erlegst? Törichter, diese Ehre wird dir Priamos nie einräumen, hat er doch Söhne die Fülle, und er selbst, der Alte, gedenkt noch nicht vom Throne zu steigen. Oder versprachen dir vielleicht die Troianer ein köstliches Landgut, wenn du mich erschlügest? Hab ich dich doch, wie ich meine, im Beginne dieses Kampfes schon einmal mit meiner Lanze verfolgt! Denkst du nicht mehr daran, wie ich dich, den Vereinzelten, dort von den Rinderherden weg die Höhen des Ida hinabjagte? Da schautest du dich im Fliehen nicht einmal um, und bis nach der Stadt Lyrnessos trugen dich deine Füße. Ich aber warf sie mit Pallas und Zeus in Trümmer, und nur die Barmherzigkeit des letzteren rettete dich, während ich Weiber und Beute genug davonführte. Doch heute werden dich die Götter nicht zum zweitenmal retten, ich rate dir, begieb du dich schleunig wieder unter die Menge zurück und hüte dich, mir zu begegnen, daß dir kein Leid geschehe!" Dagegen rief Aineias: "Hoffe mich nicht mit Worten wie einen Knaben abzuschrecken, Pelide, herzzerschneidende Worte könnte auch ich dir zurufen. Kennt doch einer vom Rufe des anderen Geschlecht wohl; daß dich die Meeresgöttin Thetis gebar, weiß ich; ich aber rühme mich, Aphrodites Sohn und des Zeus Enkel zu sein. Auch werden wir nicht mit kindischen Worten voneinander aus dem Schlachtfelde scheiden; laß uns deswegen nicht länger hier, gleich albernen Kindern, schwatzend in der Mitte des Getümmels stehen! Die ehernen Kriegslanzen sind es, die wir einander zu kosten geben wollen." So sprach er und schwang den Speer zum Wurfe, von dem der entsetzliche Schild des Achilles ringsum nachhallte; doch durchstürmte das Geschoß nur die zwei äußeren Schichten von Erz, die beiden inneren waren von Zinn, und von den mittleren goldenen wurde die Lanze gehemmt. Jetzt schwang auch der Pelide seinen Speer; dieser traf den Schild des Aineias am äußersten Rande, wo das Erz und die Stierhaut am dünnsten war; Aineias duckte sich und streckte in der Angst den Schild in die Höhe, so sauste ihm die Lanze, die beiden Schildränder durchfahrend, über die Schulter hm und bohrte sich aufrecht dicht neben ihm in den Boden ein, daß der Sohn Aphrodites vor der Todesgefahr schwindelte. Und schon rannte Achilles mit gezücktem Schwerte, laut schreiend, herbei. Da ergriff Aineias einen ungeheuren Feldstein, wie ihn zwei jetzige Sterbliche nicht aufheben könnten, er aber schwang ihn ganz behende. Hätte er nun mit dem Steine nur des Gegners Helm oder Schild getroffen, so wäre er unfehlbar dem Schwerte des Peliden erlegen.

Das erbarmte selbst die Götter, die, den Troianern abhold, auf dem Herakleswalle saßen. "Es wäre doch schade", sprach Poseidon, "wenn Aineias, weil er Apollons Wort gehört hat, zum Hades hinabfahren sollte; auch fürchte ich, Zeus könnte zürnen, denn haßt er gleich den Stamm des Priamos, so will er ihn doch nicht ganz vertilgen, und durch Aineias soll das Herrschergeschlecht in Kindern und Kindeskindern fortdauern. " - "Tue, was du willst", erwiderte Hera, "ich und Pallas, wir haben es mit einem Eidschwur beteuert, daß wir kein Unglück, welches es auch sei, von den Troianern abhalten wollen."

Diese Unterredung war das Werk eines Augenblickes; Poseidon flog in den Kampf, zog unsichtbar den Speer aus dem Schilde des Aineias und legte diesen dem Achilles quer vor die Füße, nachdem er die Augen des Helden mit einem dichten Nebel umgössen hatte. Den Troianer selbst schleuderte er, ihn hoch von der Erde aufhebend, über Wagen und Streiter hinweg, an die Grenzen der Schlachtordnung, wo das Volk der kaukonischen Bundesgenossen kampfgerüstet einherzog. "Welcher Gott", so schalt Poseidon hier den geretteten Helden, "verblendete dich, Aineias, gegen den Liebling der Götter, den weit mächtigeren Peliden, kämpfen zu wollen? Weich in Zukunft zurück, so oft du ihm begegnest; hat ihn einmal das Schicksal erreicht, dann magst du dich getrost in den vordersten Reihen schlagen!" Jetzt verließ ihn der Gott und zog vor Achilles' Augen den Nebel hinweg, der verwundert seine Lanze an der Erde liegen und den Mann verschwunden sah. "Troll er sich immerhin mit eines Gottes Hilfe", sprach er verdrießlich, "ich bin sein Fliehen schon gewohnt." Dann sprang er in die Reihen der Seinigen zurück und ermunterte sie zur Schlacht. Drüben aber feuerte Hektor die Seinigen an, und nun folgte ein wilder gemischter Angriff. Als Phoibos Apollon sah, wie gierig Hektor dem Peliden entgegenstrebte, flüsterte er ihm ein Warnungswort ins Ohr, vor welchem Hektor erschrocken in den Haufen seiner Streiter zurückwich. Achilles aber drang stürmend unter die Feinde ein, und sein erster Speerwurf spaltete dem tapferen Iphition das Haupt, daß er zu Boden fiel und, von den Wagenrädern der Danaer zermalmt, im vordersten Gewühle dalag. Dann stieß er dem Sohne Antenors, Demoleon, den Speer in die Schläfe, dem Hippodamas stach er, als er eben vom Wagen herabsprang, die Lanze in den Rücken; dem Pammon, dem Sohne des Priamos, bohrte er sie, wie er gerade an ihm vorüberflog, in den Rückgrat an der Spange des Gurtes, daß sie vorn herausdrang und der Jüngling heulend ins Knie sank.

Als Hektor seinen Bruder auf der Erde gekrümmt sah, das eigene Gedärm in den Händen, wurde es Nacht vor seinen Augen; er konnte nicht länger entfernt vom Kampfe bleiben und stürmte trotz der Warnung des Gottes gerade auf Achilles los, seinen Speer wie einen Blitzstrahl zückend. Achilles frohlockte, als er ihn sah. "Dies ist der Mann", sprach er, "der meinem Herzen in der tiefsten Tiefe weh getan hat. Wollen wir länger voreinander fliehen, Hektor? Näher heran, daß du auf der Stelle das Todesziel erreichest!" - "Wohl weiß ich, wie tapfer du bist", antwortete Hektor unerschrocken, "und wie weit ich dir nachstehe; doch wer weiß, ob die Götter mein Geschoß nicht begünstigen, daß es dir, obwohl vom schwächeren Manne abgesendet, dennoch dein grausames Leben raubt." Seinen Worten schickte er die Lanze nach. Aber Athene stand hinter dem Peliden und trieb sie mit einem leisen Anhauche gegen Hektor zurück, daß sie ihm kraftlos zu Füßen sank. Nun stürzte Achilles heran, den Gegner mit einem Speerstoße zu durchbohren; doch Apollon schlug einen Nebel um Hektor, entrückte ihn, und dreimal stach der heranstürmende Pelide in die leere Luft. Als er das vierte Mal vergebens anrannte, rief er mit drohender Stimme: "So entrannst du abermals dem Tode, du Hund, und hast gewiß zu deinem Phoibos gebetet; aber wenn anders ein Gott auch mich begleitet, entrinnst du künftig dem Verderben von meiner Hand nicht! Für jetzt gehe ich, andere zu erhaschen." So sprach er und stach dem Dryops die Lanze in den Hals, daß er ihm vor die Füße taumelte, durchbohrte dem Demuchos das Knie mit einem Speerwurf; stürzte den Laogonos und Dardanos, die Söhne des Bias, jenen mit einem Lanzenwurfe, den mit einem Schwerthiebe vom Wagen; dem Tros, dem Sohne Alastors, spaltete er die Leber, obgleich er ihm die Knie flehend umfaßte; dem Mulios fuhr seine Lanze durch ein Ohr bis zum anderen; dem Sohne Agenors, Echeklos, schwang er das Schwert tief in den Schädel, den Deukalion traf seine Lanzenspitze unter dem Armbug, und sein Haupt flog vor seinem Schwerte mitsamt dem Helm in den Staub; Rhigmos, dem Thrakier, schoß er die Lanze in den Bauch, und seinen Wagenlenker Areithoos warf er mit einem Speerstoße vom Sitz. So wütete der göttergleiche Held wie ein Wind im entsetzlichen Waldbrande; seine Rosse trabten stampfend über Schilde und Leichname dahin, die Achse seiner Wagenräder troff von Blut, und bis zu den schmucken Rändern des Sitzes spritzten die Tropfen empor.