Die Rettungsschlacht

Bewunderungsvoll blickten der scheidenden Jungfrau König und Bürger Athens, voll Wehmut und Schmerz die Herakliden und Iolaos nach. Aber das Schicksal erlaubte beiden Teilen nicht, ihren Gedanken und Empfindungen nachzuhängen. Denn kaum war Makaria verschwunden, als ein Bote mit freudiger Miene und lautem Rufe dem Altar zugerannt kam. "Seid gegrüßt, ihr lieben Söhne!" rief er, "sagt mir, wo ist der Greis Iolaos, ich habe ihm Freudenbotschaft zu bringen!" Iolaos erhob sich vom Altar, aber er konnte den tiefen Schmerz nicht mit einem Mal aus den Zügen verbannen, so daß der Bote selbst ihn vor allen Dingen nach der Ursache seiner Traurigkeit fragen mußte. "Ein häuslicher Kummer bedrückt mich", erwiderte der alte Held, "forsche nicht weiter, sage mir lieber, was dem fröhlicher Blick Gutes bringt!" - "Kennst du mich denn nicht mehr", sprach jener, "den alten Diener des Hyllos, der ein Sohn ist des Herakles und der Deianeira? Du weißt, daß mein Herr sich auf der Flucht von euch getrennt hat, um Bundesgenossen zu werben. Nun ist er zur guten Stunde mit einem mächtigen Heere gekommen und steht dem König Eurystheus gerade gegenüber gelagert." Eine freudige Bewegung durchlief die Schar der Flüchtlinge, die den Altar umringt hielten, und teilte sich auch den Bürgern mit. Die greise Alkmene selbst lockte diese frohe Botschaft aus den Frauengemächern des Palastes hervor, und der alte lolaos, auf keine Widerrede achtend, ließ sich Streitwaffen bringen und schnallte sich den Harnisch an den Leib. Er empfahl die Obhut über die Kinder seines Freundes und ihre Großmutter den Ältesten Athens, die in der Stadt zurückblieben. Mit der jungen Mannschaft Athens und ihrem König Demophon zog er selbst aus, sich mit dem Heere des jungen Hyllos zu vereinigen. Als nun die verbündete Schar in schöner Schlachtordnung stand und das Feld weithin von blanken Waffenrüstungen glänzte, gegenüber aber auf einen Steinwurf das gewaltige Heer des Königs Eurystheus, er selbst an der Spitze, seine unabsehbaren Reihen dehnte, da stieg Hyllos, der Sohn des Herakles, von seinem Streitwagen, stellte sich mitten in die Gasse, welche die feindlichen Heere noch freigelassen hatten, und rief dem gegenüberstehenden Argiverkönig zu: "Fürst Eurystheus! Ehe überflüssiges Blutvergießen seinen Anfang nimmt und zwei große Städte sich um weniger Menschen willen bekämpfen und mit Vernichtung bedrohen, höre meinen Vorschlag! Laß uns beide durch redlichen Zweikampf den Streit entscheiden; falle ich von deiner Hand, so magst du die Kinder des Herakles, meine Geschwister, mit dir führen, und handeln mit ihnen, wie dir gefällt; wird mir aber gegeben, dich zu fällen, so soll die väterliche Würde und seine Wohnung und Herrschaft im Peloponnes mir und den Seinigen allen gesichert sein!" Das Heer der Verbündeten gab durch lauten Zuruf seinen Beifall zu erkennen, und auch die Scharen der Argiver murrten zustimmend herüber. Nur der arge Eurystheus, wie er schon vor Herakles seine Feigheit bewiesen hatte, schonte auch jetzt seines Lebens, wollte von dem Vorschlage nichts hören und verließ die Schlachtreihe, an deren Spitze er stand, nicht. Auch Hyllos trat jetzt wieder zu seinem Heere zurück, die Seher opferten, und bald ertönte der Schlachtruf. "Mitbürger", rief Demophon den Seinigen zu, "bedenkt, daß ihr für Haus und Herd, für die Stadt, die euch geboren und ernähret hat, kämpft!" Auf der anderen Seite beschwor Eurystheus die Seinigen, Argos und Mykene keinen Schimpf anzutun und dem Rufe dieses mächtigen Staates Ehre zu machen. Jetzt ertönten die tyrrhenischen Trompeten, Schild klang an Schild, Geräusch der Wagen, Stoß der Speere, Klirren der Schwerter erscholl, und dazwischen der Wehruf der Gefallenen. Einen Augenblick wichen die Verbündeten der Herakliden vor dem Stoße der argivischen Lanzen, die ihre Reihen zu durchbrechen drohten, doch bald wehrten sie die Feinde ab und rückten selbst vor; nun entstand erst das rechte Handgemenge, das den Kampf lange unentschieden ließ. Endlich wankte die Schlachtordnung der Argiver, ihre Schwerbewaffneten und ihre Streitwagen wandten sich zur Flucht. Da kam auch dem alten Iolaos die Lust an, seine Greisenjahre noch durch eine Tat zu verherrlichen, und als eben Hyllos auf seinem Streitwagen an ihm vorbeirollte, um dem fliehenden Feindesheer in den Nacken zu kommen, streckte er seine Rechte zu ihm empor und bat ihn, daß Hyllos ihn an seiner Statt seinen Wagen möge besteigen lassen. Hyllos wich ehrerbietig dem Freunde seines Vaters und dem Beschützer seiner Brüder, er stieg vom Wagen, und an seiner Statt schwang sich der alte Iolaos in den Sitz. Es wurde ihm nicht leicht, mit seinen greisen Händen das Viergespann zu bewältigen, doch trieb er es vorwärts und war an das Heiligtum der Athene gekommen, als er den fliehenden Wagen des Eurystheus in der Ferne dahinstäuben sah. Da erhob sich Iolaos in seinem Wagen und flehte zu Zeus und Hebe, der Göttin der Jugend, der unsterblichen Gemahlin seines in den Olymp versetzten Freundes Herakles, ihm nur für diesen Tag der Schlacht wieder Jünglingskraft zu verleihen, damit er sich an dem Feinde des Herakles rächen könne. Da war ein großes Wunder zu schauen: zwei Sterne senkten sich vom Himmel hernieder und setzten sich auf das Joch der Rosse, zugleich hüllte sich der ganze Wagen in eine dichte Nebelwolke; dies dauerte nur wenige Augenblicke, so waren Sterne und Nebel wieder verschwunden, in dem Wagen aber stand Iolaos verjüngt, mit braunen Locken, aufrechtem Nacken, nervigen Jünglingsarmen; in jugendfester Hand die Zügel des Viergespanns haltend. So stürmte er dahin und erreichte den Eurystheus, als er schon die skironischen Felsen im Rücken hatte, beim Eingang in ein Tal, durch welches der Argiver flüchten wollte. Eurystheus erkannte seinen Verfolger nicht und wehrte sich von seinem Wagen herab; aber die dem Iolaos von den Göttern verliehene Jünglingskraft siegte; er zwang seinen alten Gegner vom Wagen herunter, band ihn auf seinen eigenen fest und führte ihn so als den Erstling des Sieges dem verbündeten Heere zu. Jetzt war die Schlacht ganz gewonnen, das führerlose Heer der Argiver stürzte in wilder Flucht davon; alle Söhne des Eurystheus und unzählige Streiter wurden erschlagen, und bald war kein Feind auf attischem Boden mehr zu sehen.