Till Eulenspiegel. Wie Till Eulenspiegel geboren und dreimal getauft wurde.

Es ist in dem Lande Braunschweig, in dem Walde Seib, ein Dorf gelegen, Kneitlingen genannt; da wurde das fromme Kind Eulenspiegel geboren. Sein Vater hieß Claus Eulenspiegel, seine Mutter Anna Wertbeck; und nachdem diese das Kind geboren hatte, schickten es die Eltern zur Taufe ins Dorf Amptlen, dabei das Schloß Amptlen erbaut war, das von den Magdeburgischen, neben anderer Mithilfe, hernach als ein Raubnest vertilgt ward. Als das Kind getauft ward, erhielt es den Namen Tyll Eulenspiegel. Damals war es Sitte im Lande, daß sich die Paten gleich nach der Taufe samt der Wehmutter und dem Kindlein in ein Bierhaus begaben und sich allda gütlich taten. So geschah es nun auch nach unseres Kindleins Taufe; und da der Weg weit, die Hitze aber groß gewesen war, so erlabten sich die Gäste an manch einem guten Trunke. Als nun die Zeit kam, daß man sich mit dem Kinde Tyll Eulenspiegel wieder heim verfügte, geriet die Wehmutter, die das Kind trug und auch auf ihre alten Tage noch ein Schlückchen getan hatte, unterwegs in Angst und Not, weil sie durch einen Fehltritt von einem hohen Stege in einen schmutzigen Graben hinunterfiel. Doch weil Unkraut nicht leicht verdirbt, geschah dem Kinde kein Leid, außer daß es mit Kot übel besudelt wurde. Eulenspiegel wurde also an einem Tage dreimal getauft. Erstlich nach gemeiner Ordnung, danach in der Pfütze und zuletzt in warmem Wasser, um ihn wieder zu reinigen. Dieses war das erste Zeichen von Eulenspiegels wunderbarer Natur, so wie auch der mancherlei Unfälle, so er in seinem Leben zu erdulden hatte; denn Untreue schlägt seinen eigenen Herrn.

Quelle: Aus dem Volksbuch "Der wiedererstandene Eulenspiegel", Volksbücher 12, Leipzig 1845, bei Otto Wigand, hrsg. v. G. O. Marbach, S. 3 f.
aus: Leander Petzoldt, Historische Sagen, Mit Anmerkungen und Erläuterungen, Band II, Baltmannsweiler 2001, Nr. 596, S. 121