DER LÖWENKAMPF DES BÜRGERMEISTERS GRYN

Im Jahr 1262, als Bischof Engelbert auf kurze Zeit wieder mit der Stadt versöhnt war, so hatte er einen Löwen, den zogen ihm zwei Domherren. Die trugen Haß auf Herrn Hermann Gryn, Bürgermeister von Köln, weil er es allzeit mit den Bürgern und der Gemeinde hielt und des Bischofs Gebot nicht vollführen wollte. Darum bedachten sie, wie sie ihn vom Leben zum Tode brächten, und ließen den Löwen fasten und ganz hungrig werden. Darauf luden sie den Bürgermeister zu Gast. Als nun die Zeit kam, daß man essen sollte, so kam der Bürgermeister in der Domherrn Haus und wähnte fröhlich zu sein mit den Herrn. Sie führten ihn vor die Kammer, wo der Löwe lag und wollten ihm ihren Löwen zeigen. Und als er ohne Arg vor die Kammer trat, stießen sie ihn mit dem Rücken hinein zu dem hungrigen Löwen und schlugen die Türe hinter ihm zu. Und die Pfaffen meinten, der Löwe sollte den Herrn Hermann zerrissen und getötet haben, aber Gott fügte es anders; denn als der Löwe an ihn sprang und den Mund auf tat, ihn zu zerreißen, so nahm Herr Hermann schnell seinen Mantel und wickelte ihn um Arm und Hand, in der er auch seine Kogel hatte, die man damals sehr groß zu tragen pflegte. Da fuhr er dem Löwen mit der linken Hand zu seinem Hals hinein und mit der rechten, die den Degen hielt, erstach er den Löwen. Also kam der Bürgermeister aus der Not und ging ungegessen wieder heim. Und zur Stund ließ er die zwei Pfaffen greifen und unter dem Tore bei dem Domkloster an den Balken hängen. Das Tor hieß seitdem das Pfaffentor, und die Löcher, durch welche die Stricke gezogen wurden, waren noch Jahrhunderte sichtbar. Und zum ewigen Gedächtnis ist ein steinern gehauen Bild Hermann Gryns mit dem Löwen auf einen von den Pfeilern vor dem Rathaus (am Portal) gesetzt und auch gemalt in der Klageherren Kammer auf dem Rathaus.


Quelle: P. Zaunert, Rheinlandsagen I, Jena 1924, S. 154 (nach der Koelhoffschen Chronik, Cöln 1499).
aus: Historische Sagen, Leander Petzoldt, Schorndorf 2001, Nr. 53, S. 39