DIE KRANICHE DES IBICUS
Der Kränche Kundschaft. Rehzzo in Sicilia war etwas
mächtig, ist aber Anno Christi 1543 von Barbarossa übel zerstört
worden; daselbst lebte Anno 533 vor Christi Geburt Ibicus, ein berühmter
Poet, der war in so hoher Achtung, daß ihn Polycrates, Herr zu Samo,
zu sich holen ließe, ihn herzlich traktierte und mit einer ehrlichen
Begabung wieder abfertigte; dieser ward auf seiner Heimfahrt von etlichen
Waltfischern ausgespähet, angegriffen und ermor't; da er nun sterben
sollte, sähe er ungefähr etliche Kranich' vorüberfliehen,
denen er zuschriehe und sagte, sie sollten seinen Tod rächen, dessen
die Mörder nur lachten; lang hernach, als Ibicus schier vergessen
und genug von seinen Mitbürgern beklagt worden war, mußte die
Gemein etlicher Geschäften halber zusammen, darunder sich die Mörder
auch befanden. Als nun ungefähr etliche Kränch' überhinflohen,
sagten diese undereinander: «Sehet, des Ibici Kränch'!»
Die, so darnebenstunden und es höreten, packten des Namens halber
diese Gesellen an, welche darauf gefangen und gefoltert: und nach ihrer
Bekandtnuß der Justiz gemäß gerichtet wurden.
Quelle: H. J. Ch. von Grimmelshausen, Des Abenteuerlichen
Simplicissimi Ewigwährender Calender, Nürnberg 1671 (Neudruck
Konstanz 1967), S. 89 - 91.
aus: Historische Sagen, Leander Petzoldt, Schorndorf 2001, Nr. 9, S. 10