Die Teufelsmühle am Wienerberg

2. Fassung

Einer alten Sage nach stand außer dem Orte Siebenhirten, rechts an der Heerstraße, die von Wien nach Neustadt führt, vor Zeiten eine durch Geisterspuk verrufene Mühle, einst dem Ritter Kilian gehörig, der viele Mordtaten verübt haben soll.

Da sich niemand in die Nähe der Mühle wagte, und diese schon viele Jahre verlassen und öde dastand, ließ Herzog Albert, mit dem Zopfe genannt, einen vertrauten, mit Mut begabten jungen Ritter auffordern, die Mühle des Nachts zu besuchen. Er hoffte, der Spukgeschichte so am sichersten auf die Spur zu kommen, und noch an demselben Tage machte sich Ritter Reinprecht von Wallsee mit mehreren beherzten Knappen auf den Weg und gelangte zur Mühle, als es bereits dunkelte.

Ein am Wege ruhender Pilger, der sie dem Vorhofe zureiten sah, warnte den Ritter, lieber im Freien, als von Gespenstern umgeben, zu übernachten. Dieser aber ließ sich nicht abhalten, indem er dem Warner scherzend versicherte, daß er die Lieblingsfarbe der Geister in Erfahrung zu bringen wünsche. Am Tore angelangt, befahl er den Knappen, seiner wachend im Stalle zu harren, und schritt mit einer flammenden Fackel durch die verschlossenen Gemächer der Mühle nach der Mahlstube, wo er des Nachts zu verweilen beschloß.

Da sie still vorüberzog und sich weder etwas sehen noch hören ließ, so wollte er die Spukgeschichte bezweifeln; als aber die Diener ihn des Morgens erblickten und nicht ohne Scheu ihm eröffneten, daß seine blendend weißen Helmfedern des Nachts in schwarze verwandelt worden seien, erinnerte er sich der Worte, die er zum Pilger gesprochen hatte, und beschloß, in den Wienerwald hinauszuziehen, dem Weidwerke obzuliegen und des Nachts wieder in die Mühle zurückzukehren.

Die vielen Raubanfälle, die in der Nähe der Mühle vorgefallen waren, machten ihn vorsichtig. Doch da, wo am vorhergehenden Abend der Pilger geruht hatte, erblickte er heute ein junges Mädchen mit einem Bündel Reisig auf dem Rücken, das sich bei seinem Erscheinen verbergen wollte. Er versicherte dem zitternden Mädchen, daß es ungehindert nach Hause ziehen könne, und die Beruhigte versprach, dankbar seiner im Gebete zu gedenken, damit der schwarze Gottseibeiuns ihm nichts anhaben könne.

Die Knappen, die dem Mädchen einige Spottreden nachschickten, weil es ihrer keine Erwähnung gemacht hatte, erhielten von dem Ritter den Befehl, ihm heute keinen Weinkrug vorzusetzen. Er hatte in der letzten Nacht dem Weine fleißig zugesprochen und erinnerte sich, entschlummert zu sein, weshalb er so manches verschlafen zu haben vermeinte.

Als der Morgen graute und in der Mühle abermals nichts zu sehen und zu hören und auch an ihm keine Veränderung bemerkbar war, wollte er sie verlassen; doch wie erstaunte er diesmal, seine Knappen vom Haupte bis zur Zehe geschwärzt von Kohlenstaub zu erblicken. Sie gestanden aufrichtig, daß sie geschlummert haben mochten, weil sie, um sich wach zu halten, dem Weinkrug des Herrn Zugesprochen hätten. Unmutig, abermals überlistet worden zu sein, beschloß er, in den Wald hinauszureiten, dort dem Weidwerk obzuliegen und des Nachts neuerdings nach der Mühle zurückzukehren.

Kein lebendes Wesen ließ sich heute in der Nähe erblicken. Die Knappen mußten diesmal bei ihm verweilen. Grabesstille herrschte rings, nur zu Zeiten vom Klopfen des Holzwurmes oder dem Schwirren einer durch das Licht herbeigelockten Fledermaus unterbrochen. Ms aber die Mitternacht heranrückte, begannen plötzlich mit lautem Gepolter die Mühlräder sich zu bewegen, die Steine sich Zu drehen und die Beuteltücher sich zu schütteln, daß ob des Getöses Ritter und Knappen sich die Ohren zuhalten mußten. Da kein lebendes Wesen zu erblicken war, sondern unsichtbare Arme die Räder zu bewegen, die Steine zu drehen und die Staubbeutel zu schütteln schienen, so Zwangen die Knappen, von Geisterfurcht ergriffen, den Ritter, noch während der Nacht die Mühle zu verlassen. Doch wie staunten Ritter und Knappen, als sie beim rosigen Lichte des Morgens die schwarze Farbe diesmal in die weiße verwandelt sahen.

Obwohl der Mehlstaub leichter als der Kohlenstaub von den Kleidern abzuschütteln war, so vermochte der Ritter dennoch seinen Unmut nicht zu verbergen, weil er sich keinen R at wußte, wie er dem Herzog den Spuk mit dem Farbenwechsel, den er unvorsichtig selbst verschuldet hatte, erzählen sollte, ohne dessen Lachlust zu erregen. Der Herzog erfuhr es aber dennoch, als er an einem der Fastnachtstage dem Stechen der Wiener Bürger auf der Brandstatt beiwohnte; der Schalksnarr, halb weiß, halb schwarz gekleidet, verkündete nämlich, daß er von dem Teufelsmüller am Wienerberge, den er für das nächste Scharlachrennen eingeladen habe, also beschenkt worden sei.

Quelle: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 33, S. 53ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Anja Christina Hautzinger, April 2005.