Bestrafter Kirchenraub

Im Jahre 1538 hat zu Wien in Österreich ein gottloser Ketzer, seines Handwerks ein Zimmermann, in der Kirche zu den Schotten sich einschließen lassen. In der Nacht bricht er das Sakramenthäuschen auf, worin er viele kleine Oblaten gefunden. Deren wirft er einen Teil auf den Boden und tritt sie mit Füßen, andere zerbeißt er mit den Zähnen, etliche aber schiebt er in den Hosensäckel, Willens dieselben zur größeren Unehre aufzubehalten. Über ein wenig empfindet er, daß ihm das Hemd naßgeworden; er besieht es und wird gewahr, daß es von den gebrochenen heiligen Oblaten ganz mit Blut befeuchtet und überronnen ist. Wiewohl nun am Morgen der Kirchendieb vermeint, verborgen zu sein, wird er doch ergriffen, und werden die heiligen Oblaten ganz blutig im Säckel bei ihm gefunden, welche man darnach in einen ehrlichen Ort gelegt, allda sie mit großer Ehrerbietung verwahrt werden. Der Gottesdieb bekehrte sich zwar, aber wegen des öffentlichen Kirchenraubes wurde er enthauptet.

Quelle: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 39, S. 62
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Anja Christina Hautzinger, April 2005.