Der vom Teufel geholte Bäckerjunge

Im Jahre 1570, am Festtag des Fronleichnams Christi Unseres Heilands, an welchem die ganze Menge der Christen aus frommer Gewohnheit der Katholischen Kirche das Hochheilige Altarsakrament zur Beschämung aller Ketzer, die Christum den wahren Gott unter der Gestalt des Brotes im Sakrament gegenwärtig zu sein gänzlich leugnen, jährlich mit Andacht und hochfeierlich nach althergebrachtem Kirchengebrauch durch die Stadt zu begleiten pfleget, so ward unter anderen wienerischen Stadtzünften, denen damals vom Bürgermeister Mann für Mann ernstlich auferlegt worden, daß alle und jede mit ihren Zunftgenossen nach Gebür mit gezierten Fahnen unwidersetzlich beiwohnen sollten, eines wienerischen Bürgers und Bäckers, mit Namen Caspar Kröns Junge von zweiundzwanzig Jahren, ein von Natur gefräßiger und versoffener, ein gottloser und zu allen Lastern sehr geneigter Mensch gefunden, welcher, als er zugleich mit andern seinen Mitgesellen treulich gewarnet wurde, vom Saufen aufzuhören, sich bescheiden aufzuführen, auch sogleich sich aus dem Hause fortzupacken und sich zu seiner Zunftfahne zu verfügen, nichts weniger als solcher Ermahnung Gehör geben wollte, bis er endlich sowohl durch den Glockenklang, womit das Zeichen der von St. Stephan ausgehenden Geistlichkeit gegeben war, angetrieben, als auch aus Furcht der denen Ungehorsamen von dem Bürgermeister angedrohten schweren und unausbleiblichen Strafe erschreckt, ganz zornig von dannen ging. Was geschieht? Kaum kam er auf die öffentliche Gasse, so entstand wider Verhoffen ein Sturmwind. Der böse Mann ward augenblicklich von dem bösen Geist ergriffen, in die Höhe und in der Luft hin und nieder geführt, endlich aber nach vollendeter Prozession zwischen 11 und 12 Uhr, da man allenthalben die Mittagsmahlzeit einnahm, unter solchen Schrecken, als wenn ein Erdbeben sich ereignete, auf einen Nußbaum niedergelassen, von welchem er wie ein Klotz auf die Erde fiel, dergestaltet, daß der Spitalmeister mit den Seinigen den Tisch plötzlich verließ, davonfloh und ein jeder einen sicheren Ort suchen wollte. Siehe! Als sie in das nächste, am Speisezimmer gelegene Gärtlein sich hinausbegaben, um zu sehen, auf welcher Seite die Spitalmauer eingefallen, erblickten sie von ungefähr den Bäcker vom Nußbaum fallend, den sie mit funkelnden Augen und mit häßlichem Angesicht, außer Sinnen und fast entseelt antrafen. Durch verschiedene Arzneien wurde er erquickt und nach drei Tagen, da er wieder zu sich kam, befragt, worauf er die Antwort erteilte, daß er ein Bäcker sei und bisher in des Caspar Kröns, bürgerlichen Bäckermeisters, seines Herrn, Dienst gestanden, auf was für eine Weise er aber von der Erde hinweg und vom Teufel so lang und so viel in der Luft herumgeführt worden, auch wie er vom Baum heruntergekommen, sei ihm gänzlich unbekannt. Er gestand freimütig, daß er ein Ketzer gewesen, sich im Gasthaus gottlos verhalten und entsetzliche Lästerungen wider das Hochwürdige Sakrament ausgestoßen habe. Dieweil er aber seine Laster mit der Sünderin Maria Magdalena beweinte, besserte er sich nach und nach und nach empfangenem Abendmahl hat er feinem Herrn, dem er vorhin gedient, wiederum zu dienen angefangen. Dies geschah in dem Jahr und an dem Tage, davon oben gemeldet worden.

Quelle: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 19, S. 31ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Anja Christina Hautzinger, April 2005.