Das Leopoldschloß auf dem Kahlenberg

Die Erzählungen davon sind unterschiedlich, und weil in keiner österreichischen Chronik etwas Authentisches davon zu finden ist, so kann ich auch keine gründliche Nachricht von diesen Dingen erteilen. Soviel aber ist gewiß, daß die Einwohner des am Fuße dieses Berges gelegenen Dorfes Heiligenstadt in den obersten Fenstern dieses verfallenen Schlosses häufig Lichter sehen, auch manchmal wahrnehmen, als wenn solche von aufwartenden Personen hin und wieder getragen würden. Sobald aber die Glocke zwölf geschlagen, verschwindet in einem Augenblick das ganze Gesicht. Hierzu kommt noch, daß die unweit davon weidenden Viehhirten um eben diese Nachtstunde ein großes Poltern und Krachen zu hören gewohnt sind. Es sollen zwar unterschiedliche geheime Nachrichten in der Bibliothek des nahe dabei liegenden reichen Klosters Neuburg in Msto befindlich sein; man trägt aber aus gewissen Ursachen Bedenken, etwas davon unter die Leute kommen zu lassen. Der gemeine Mann redet auch viel von gewissen Zwergen, welche man um die Mittagsstunde in großer Menge will gesehen haben, allein ich halte nicht für ratsam, daß man diesen Nachrichten gar zu starken Glauben beimesse.

Quelle: Peuckert, Will-Erich, Die Sagen der Monathlichen Unterredungen Otto von Grabens zum Stein, Berlin 1961, Nr. 115