DER TEUFEL UND DIE EICHE

Am Hang des Bisamberges lag der Steinbauernhof inmitten eines Hausgartens voller Obstbäume. Es war ein mächtiger Bau mit einem soliden Tor, fast wie eine kleine Festung. Die vielen Fenster waren blank geputzt und das ganze Haus machte einen gepflegten Eindruck. Doch der Schein trog, denn der Bauer war hoch verschuldet. Aus diesem Grund sollte sich seine einzige Tochter mit dem reichen Nachbarn vermählen. Doch das Mädchen war in den Knecht verliebt, der arm war und vom Vater nicht als Bräutigam gebilligt wurde.

In einer hellen Mondnacht, als der Knecht vor lauter Liebeskummer nicht schlafen konnte, ging er im nahen Wald des Bisamberges spazieren. Als er dann doch müde wurde, wählte er seinen Rastplatz bei einer Eiche. Als er so in Gedanken unter dem Baum lag, näherte sich ein Jäger. Er nahm bei dem Knecht Platz und die beiden Männer begannen ein Gespräch. Nach kurzer Zeit erkannte der Knecht in seinem Gesprächspartner den Teufel. Bald wurde auch über das Heiraten gesprochen und so schilderte der Bursche dem Satan seine mißliche Lage.

Der Teufel sprach: "Ich könnte dir schon helfen, wenn es ums Geld geht. Du unterzeichnest mir einen Vertrag, daß deine Seele nach deinem Tod mir gehört, dafür werde ich dich mit einem Schatz ausstatten." "Das ist mir recht", antwortete der Knecht, "aber meine Seele bekommst du erst dann, wenn die Eiche, unter der wir hier sitzen, blattlos ist!"

Der Teufel willigte ohne Widerspruch ein und der Pakt wurde besiegelt. Dann befahl der Beelzebub dem Knecht am nächsten Morgen im Hausgarten unter einem bestimmten Apfelbaum zu graben. Danach verschwand er spurlos.

Als der Knecht in der Früh beim Hof ankam, holte er eine Schaufel und begann unter dem Baum eine Grube auszuheben. Sehr bald fand er ein metallenes Gefäß, das randvoll mit Goldtalern gefüllt war. Überglücklich hielt er beim Bauern um die Hand seiner Tochter an, zahlte die Schulden zurück und lebte mit seiner Frau zufrieden bis der Herbst nahte. Die Bäume verfärbten sich und verloren langsam ihre Blätter, nur die Eiche war noch üppig belaubt.

Der Teufel, der regelmäßig den Baum kontrollierte, war enttäuscht. Aber er tröstete sich mit dem Gedanken an den kommenden Frost, der die Blätter schon zum Abfallen bringen würde. Doch selbst als alle Bäume kahl waren, hielten sich die braun verfärbten Blätter an den Zweigen der Eiche fest. Die Hoffnung auf die Frühlingsstürme hielt den Teufel den langen Winter über bei Laune. Doch als im Frühling die letzten brauen Blätter abfielen, waren schon viele junge Blättchen an den Zweigen, so daß die Eiche nie kahl geworden war.

Der Teufel mußte einsehen, daß er die Seele des Knechtes nicht bekommen konnte und so fuhr er, begleitet von starkem Schwefelgestank und zornigem Gebrüll, in die Unterwelt hinab und war fortan am Bisamberg nicht mehr gesehen.

Quelle: Wien in seinen Sagen, Eva Bauer, Weitra 2002, S. 321