DAS WILDE MÄNNLE

In der Alpe Laguz ist es gewesen, man heißt es auf dem Dingabüel, da ist ein paar Jahre hintereinander bei der Alpfahrt, ich weiß nicht wie, ein wildes Männle gekommen, und das haben die Alpleute zum Hüten gedinget. Ein vielrarer Hirt sei es gewesen: Riser auf und ab sei es gefahren, man habe nimmer luegen dürfen, und doch sei ihm nie ein Höptle erfallen. Das Vieh hat es aber am Abend nur bis auf den Dingabüel getrieben, und am Morgen hat es dort wieder auf das Auslassen gewartet. In eine Deihja hat es die längste Zeit nicht kommen wollen, bis auf einmal, da kommt es in eine Hütte zur Sennin zum Heimgart. Die Sennin ist gerade am Sennen gewesen und hat noch die Schotte im Kessi gehabt. Das wild Männle hocket auf der Kuchiplatte, lueget ins Kessi hinein und sagt zur Sennin: "Wie ich merk, so hast du das Best noch im Kessi". Die Sennin aber lacht und sagt: "Du bist doch ein närrsches Männle, ich hab ja nur Schotten mehr drin und die gibt man unser Lebtag nur den Schweinen." Das wild Männle aber läßt sichs nicht nehmen und will der Sennin heimlich erzählen, wie man die Schotte ein gutteil besser zu Nutzen ziehen, ja, wie man gar gutes Gold draus sieden könne. Aber wie es will das Maul auftun und herausrücken mit der Sprache, so ruft ein anderes wildes Männlein in die Hütte hinein: "Fürio, Gottfried, der Bach brennt!" und auf das ist das wild Hirtle heraus aus der Deihja und davongesprungen, als wenn man es gebissen hätte. Das gleiche wild Männle habe ganz schlechtes Hääß gehabt, und da legen ihm die Alpleute einmal ein rotes Walsertschöple, wie man vor altem getragen hat, auf den Dingabüel; da habe es aber gerufen: "Jetz bin i frili zom Hüeta z'weech". Von derselben Stund an hat man es mit keinem Aug mehr gesehen.


Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 133, Seite 118