Aus dem Franzosenkrieg

In unserer Hausbündt steht ein alter Birnbaum, dem man an seinem dicken, knorrigen und bis auf eine dünne Wand ausgehöhlten Stamm und den kurzen gedrungenen Ästen und der verhältnismäßig kleinen Krone das hohe Alter ansieht. Dieser Baum war zu Denkzeiten meines Vaters schon so, und er fragte einmal eine alte, schon seit ihrer Kindheit in einem Nachbarhause wohnende Frau, ob sie noch denken möge, daß der Baum jung war. Sie sagte nein, als sie noch ein Mädchen war, zur Zeit der Franzosenkriege, hätten die Landstürmer an den Baum eine Scheibe gelehnt und darauf Scheiben geschossen, und man habe schon damals gesagt, der Baum sei alt und nicht mehr schad um ihn. Dieser Baum muß also mindestens zweihundert Jahre alt sein und trägt heute noch Früchte.

***

Als zur Zeit der Franzosenkriege der Feind das Land besetzte, wurden auch im Hause meines Urgroßvaters Soldaten einquartiert, die auch verpflegt werden mußten. Der Urgroßvater mit seinen drei erwachsenen Söhnen führte den Haushalt selbst, und es war keine Frau im Hause. Wohl deswegen waren die Franzosen mit dem Essen nicht zufrieden, und wenn es ihnen einfiel, warfen sie dem Koch die Schüssel samt dem Essen ins Gesicht. Dies trieben sie soweit, daß es nicht mehr zum Aushalten war. Als nun eines Tages die Franzosen sich wieder unausstehlich gebärdeten, sprangen auf Verabredung die drei Brüder mit Flinten und Mistgabeln vor die Franzosen hin und riefen, ob sie Pardon wollen oder nicht, so machen sie es nicht mehr weiter. Da stand einer der Franzosen, der Deutsch konnte, auf und sprach, er sehe, daß sie Courage hätten, und sie wollen nun miteinander sein wie Brüder. Von dieser Zeit an hätten sie die besten Leute gehabt.

***

Auch während der Franzosenkriege sei einmal sein Großvater mit anderen Landstürmern irgendwo im Lande in einer Schanze gelegen. Der Nebel lag so dicht, daß man kaum auf fünfzig Schritte etwas sah. Plötzlich tauchte vor ihnen ein Trupp französischer Reiter auf. Sie hätten sofort Pelotonfeuer gegeben, worauf die Franzosen wieder verschwanden. Sie suchten nun den Platz nach Toten und Verwundeten ab und fanden nicht einen einzigen Mann. Der Großvater habe gemeint, daß die Franzosen die Toten und Verwundeten mitgenommen hätten; es wäre unmöglich, daß sie keinen getroffen hätten, er habe nie weniger als drei Kugeln in den Lauf getan. Als sein Vater vor nun fast hundert Jahren sein Haus baute, kamen beim Ausheben der Jauchegruben fuhren weise Knochen aus der Erde heraus. Er meinte, daß diese Knochen wohl bei einer Viehseuche, wo alles Vieh geschlachtet werden mußte, hineingekommen seien. Wir ließen im letzten Jahre die Jauchegrube erweitern und fanden auch auffallend viel Tierknochen im Boden, dabei auch einen Sporen. Die Knochen waren vollständig mürbe. Wie lange mögen sie schon im Boden liegen, und unter welchen Verhältnissen kamen sie hinein?

Quelle: I. G. Troll, Sagen und anderes aus Schwarzach, in: Heimat 4 (1923), S. 182-184, zit. nach Sagen aus Vorarlberg, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 119f