Pestsagen aus Weiler

I. Die Sebastianskapelle

Beim alten Schulhause in Weiler steht eine kleine Kapelle. Sie stammt aus der Pestzeit und war früher nur aus Holz gebaut. Kein Betstuhl hat darin Raum, so klein ist sie, und doch haben sieben Zimmermänner nacheinander an ihr gearbeitet, bis sie fertig war. Immer wieder holte der schwarze Tod den, der daran werkte, noch ehe er sie vollendet.

Die Kapelle wurde dann St. Sebastian, dem Patron gegen böse ansteckende Seuchen, geweiht und, einem Gelübde zufolge, werden noch heutigentags an seinem Feste geweihte Kerzen in ihr gebrannt.

II. das Kreuz an der Totengasse

Ein schmaler Fahrweg, oberhalb Weiler heißt die Totengasse. Sie wird so genannt, weil dort zur Pestzeit die deichen jener begraben wurden, welche die furchtbare Seuche dahinraffte. Ein Holzkreuz, das man vor einigen Jahrzehnten noch sehen konnte, bezeichnete die Stelle, wo sie liegen, siebzig in einem Grabe. Auch hier meldete ihre Zahl die damals auf Pestgräbern gebräuchliche, wehmutvolle Inschrift. Schlicht und ergreifend hieß es:

"Klag' über Klag'!
Siebenzig Tote in einem Grab!"

Quelle: Anna Hensler, in: Rund um Vorarlberger Gotteshäuser, Heimatbilder aus Geschichte, Legende, Kunst und Brauchtum, Bregenz 1936, S. 14