DIE FRÄULEIN AUF NEUENBURG

Von der Schloßruine Neuenburg bei Götzis wird erzählt, es seien vor Zeiten zwei verwünschte Fräule nach einer Reihe von Jahren immer auf ein paar Stunden erschienen. Auf einem Stein der verfallenen Burg haben sie so lange geisten müssen, bis einmal einer kam und ihnen unaufgefordert von den Blumen abkaufte, die sie in Büschel gebunden in den Händen hielten. Zwei Grenzjäger hatten zufällig den Weg dorthin. Da die beiden Fräule sie mit flehentlichen Blicken anschauten - denn anbieten dürfen sie nichts -, so nahmen sie die Büschel ab und gaben etwas dafür. Die Fräule dankten für ihre Erlösung und verschwanden. Die Blumen aber waren frisch, als wären sie eben im Garten gepflückt.

Nicht weit von der Ruine Neuenburg lebte einmal ein altes, armes Weib. Um Holz zu suchen, ging sie in die Ruine. Nach langem Suchen fand sie nur ein Häuflein Holz und Sägespäne. Die nahm sie in die Schürze, trug sie nach Hause, sagte aber keinem, woher sie es hätte. Am Morgen drauf kam sie in die Küche und wollte mit den Spänen Feuer anmachen. Kann man denken, wie sie sich freute, als sie lauter Gold fand, wo sie die Späne hingelegt hatte.

Ein Fuhrmann, dem sie davon erzählte, wollte auch so geschwind reich werden. Er nahm Spaten und Haue und ging aufs Schloß, um gleich den ganzen Schatz zu heben. Weil er aber vom Schatzgraben etwas wußte, wartete er bis Mitternacht. Für die grausige Krott, die auf dem Schatz sitzen würde, hatte er die Haue mit. Er war schon unter dem Schloßtor; wie er da von ungefähr in die Höhe schaute, sah er einen ungeheuren Mühlstein an einem Roßhaar hängen. Da verging ihm der Mut, er warf Haue und Spaten fort und floh Hals über Kopf den Berg hinab. Dem Manne war nachher nie mehr ganz wohl, und noch oft erzählte er, wie fürchtig ihn die Krott mit ihren feurigen Augen angeschaut habe.


Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 77, Seite 89