DIE EIDECHSE UND DIE SCHLANGE

Es ist einmal ein seelenguter Mann gewesen, der es nie übers Herz hat bringen können, einem Tierlein etwas zu tun ohne Ursache. Besonders gern aber gehabt hat er die Heggoaßa, wie man in Dornbirn sagt, und es hat ihm ordentlich weh getan, wenn man so ein unschuldiges Eidechslein, das keinem Menschen ein Leidchen tut, vorsätzlich gemartert hat. Jetzt einmal schläft der Tierfreund auf dem Feld unter einem dicken Baum ein. Da kommt eine Schlange hergekrochen über den Weg, sieht ihn da schlafen und will ihn umbringen. Sie rupft mit dem Maul ein fünfblättriges Kleeblatt aus dem Gras, legt es ihm dorthin, wo seines Zeichens das Herz liegt, kriecht auf einen Baum und will dort herabschießen auf das Kleeblatt und dem armen Mann in die andere Welt verhelfen. Jetzt düslet eine Eidechse weidlich aus den Büschen hervor, nimmt das Kleeblatt, legt es daneben auf einen Stein und springt wieder fort, so genot als es kann. Die Schlange kommt derweil auf den Baum, kehrt sich um und sucht auf dem Mann das grüne Blättlein, merkt aber kein Zeichelein, daß das Kleeblatt auf dem Stein und nicht auf dem Mann liegt, schießt mit aller Gewalt darauf herab und verschmettert sich schützlich den Kopf.


Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 62, Seite 82