Der Mann mit der Alraune

Auf dem weiten Bresner Feld (Brederis ist Parzelle von Rankweil) steht beim Kreuzweg das Batzenhäuschen, eine alte einsame Wirtschaft, wo mancher Bauer den letzten Batzen (Geld) gelassen hat; man hat darum Batzenhäuschen gesagt. Es war früher ein nobler, fremder Wirt darauf, den niemand jemals in bäuerlicher Kleidung gesehen hat - nein, immer schön gekleidet mit einem hohen, steifen Hut und gestärktem Kragen und mit städtischer Krawatte und langen Hosen zur langen Jacke, wo sonst noch niemand so daher kam (so gekleidet war). Alte Leute haben dann wunderliche Dinge erzählt, wie reich er sein solle. Er habe eine Alraune im Keller unten, einen lebendigen Raben, den er jeden Tag mit dem besten Rotwein atze und bade. Wenn er zur Zeit des Nachtwerdens dann ein Goldstück unter ihn lege, so könne er am Morgen zwei Goldstücke hervornehmen, und das einen Tag wie den anderen (jeden Tag). Viele haben auch geglaubt, der Teufel komme dann auch den Wirt holen. Aber man hat sonst nichts Derartiges gehört, er ist vielleicht nicht der dritte gewesen, der die Alraune gehabt hat, vielleicht konnte er sie noch verkaufen; aber deswegen kann er jetzt trotzdem beim Hörnchenmann (Teufel) unten sein. Die Bauern derart ins Spiel ziehen, ist nicht recht, und Most und Wein habe er einen ganz besonders süßen ausgeschenkt, viele haben gesagt, es solle auch Katzenhirn darin sein, so duselig und schwindlig soll einem schon beim ersten Krüglein geworden sein. Aber dann haben sie eben erst recht weiter gesoffen und gespielt, bis sie nicht nur das Geld aus dem Sack gehabt haben, nein, manchmal habe einer alle seine Silberknöpfe vom Wämslein (Jacke) abtrennen müssen, wie es dann heißt: Man hat ihm den letzten Knopf abgenommen.

Und noch heute geht von diesem Wirt die Rede. Wenn einer den Buckel voller Schulden hat und nicht mehr weiß, wo ein und aus, sagt man: „Der sollte auch Beitel's Rabe haben.“

Quelle: Anna Hensler, in: Feierabend, 33. Folge (1934), S.365, Nr. 9, zit. nach Sagen aus Vorarlberg, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 70f