DAS STUHAWIEBLE
Zu Schruns erzählen sie vom Stuhawieble. Das ist ein altes Weible, das hat das Haupt in ein weißes, leinenes Tüchlein gebunden. Es hauset im Kirchturm und trägt einen Besen oder auch einen Stecken in der Hand. Am Abend kommt es aus dem Kirchturm, zeigt sich auf der Gasse und fährt unter schrillendem Pfeifen ungeratenen Kindern nach, die beim Dämmerlicht noch nicht im Hause sind.
Schruns
(Photographie von Würthle & Sohn in Salzburg, ca 1899)
Bedeutsam erscheint das Stuhawieble im Kinderspiel. Eines der Mädlein
wird durch Abzählen Stuhawieble. Dem gibt man einen Besen oder Stecken
in die Hand, damit zeichnet es ein Viereck in das Erdreich. Dieses Viereck,
das einen Garten bedeutet, teilt das Wieble zierlich in Beete ab und wendet
sich dann zur Kinderschar: "Geht, holt mir Samen zum Säen."
Die Kinder gehen und jedes einzelne bringt eine Handvoll Sand: "Da
habe ich gelbe Rüben-, sagt das eine, "da Petersil" das
zweite, "da Kohlraben" das dritte und so fort. "Nun sät
mir die Beete meines Gartens an", sagt das Stuhawieble, "ich
lege mich derweil schlafen", und legt sich auf die Erde nieder. Während
aber das Stuhawieble schlummert, zerstören die anderen Kinder die
zierlichen Beete des Gartens und rufen dann:
"Stuhawieble, stand uf,
es hot Ave Mreia glüt."
Daraufhin fährt das Stuhawieble aus dem Schlaf auf, gewahrt die Verheerung
in seinem Garten und jagt den Kindern mit dem Besen nach. Das erste, das
erwischt wird, muß dann Stuhawieble sein.
Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen
aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 171, Seite 137
Bildquelle: Tirol, Monographien zur Erdkunde, Max Haushofer, Bielefeld
und Leipzig 1899, S. 111