DIE VENEDIGER IM HITTISBERG

Hinter dem Hittisberg haben vor uralten Zeiten in Flühen und Höhlen die Venediger gehaust. Das sind Männlein und Weiblein gewesen, ganz kleine Leute, fromm und gescheit. Im Hittisberg in den Flühen hat man es vielmal klocken und hammern gehört, und da haben sie Steine gegraben, die sind grad gewesen wie die Feuersteine und das soll Golderz gewesen sein. Sobald es aber Winter geworden ist, so sind die Leutlein fort, man hat nicht gewußt wohin, und im Frühling sind sie wieder gekommen, man hat nicht gewußt woher. Etwa einmal sind sie in einschichtigen Häusern zur Stubet gegangen, haben aber nicht viel geredet, ausgenommen, sie haben den Leuten einen guten Rat können geben und das haben sie auch gerne getan. Wenn man aber gestritten und gekiebet hat, so haben sie alle übereinander geschrien: "Orla brennt! Orla brennt!" und sind durchs Haus hinaus, so genot sie haben können.

Wenn etwa ein Mann oder ein Weib über den Weg gegangen ist, so ist mengmal so ein Männlein zu ihm gekommen und ist mit ihm gegangen, aber dann wieder auf einmal verschwunden gewesen. Und etwa einmal sind sie zu den Bauern auf den Stadel gekommen und haben hart am Heustock gesotten und gebraten, daß das Feuer am Heu hinaufgefahren ist und nichts verbrannt hat. Und einmal hat so ein Weiblein am Berge sollen Kindbetterin werden, und da hat das Männlein ein Nachbarweib geholt, und das ist gekommen und hat geholfen, was sie hat können. Lohn hat sie keinen wollen, das Venedigerweiblein aber gibt ihr Kohlen in die Schoß und sagt: "Tu die Schoß nicht auf und lueg nicht hinein, bis du heimkommst." Wie das Bauernweib ein Stück weit weg gewesen ist, so denkt sie: "Sie hat mir ja nichts als Kohlen gegeben, die mag ich nicht heimtragen", macht die Schoß auf und leert die Kohlen aus. Wie sie heimkommt, so will sie die Schoß abtun und sieht, daß sie in einem Falt eine Schildisdublone habe; jetzt erschrickt sie und denkt: "Ich hätte die Kohlen nicht sollen ausleeren, das Venedigerweiblein hat mir lauter Schildisdubla gegeben." Darauf ist sie umgekehrt und ist auf den alten Platz gegangen, wo sie die Kohlen ausgeleert hat, hat aber nichts mehr gefunden.


Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 11, Seite 58