386. Die Zwinggeister beim Walserschänzle

In der Felsenklamm an der Grenze gegen Bayern haben ehedem die Zwinggeister ihr Wesen getrieben und besonders jenen übel mitgespielt, die sie verhöhnten oder ihrer spotteten. In einer Thomasnacht saß einmal eine Anzahl Walser gemütlich beieinander im Schänzlewirtshaus beim Wein. Da war einer unter ihnen, namens Zettler, der wollte nicht an die Zwinggeister glauben, lachte und sagte, er wolle gleich in dieser Thomasnacht hinunter und es probieren. Wenn es Geister da drunten gäbe, so dürfen sie alle über ihn kommen. Richtig ging er zur Mitternachtstunde hinab auf den Steg, der über die Schlucht führt. Da habe sich auf einmal ein furchtbares Geheul und ein schauerliches Getöse erhoben, und der vorwitzige Mann sei so geschüttelt und gewürgt worden, daß er keinen Schritt mehr weiter konnte und liegen blieb. Am ändern Morgen schleppte man ihn zur Schanz, wo er am selben Tag noch starb.

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Auch ein anderer habe einmal, als er nachts über den Steg ging, die Geister verspottet, und auch dem sei es schlecht ergangen. Er sei um seinen Verstand gekommen, habe angefangen zu kränkeln und sei dann bald gestorben.

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Nach einer andern Sage sitzt in dem Zwing unten als Geist ein reicher Walser auf einer Käskiste. Der sei überaus reich, aber auch ebenso hartherzig gewesen und habe zur teuren Zeit den Armen durchaus nichts von seinen Vorräten an Butter und Käse ablassen wollen. Lieber werfe er sie in den Zwing hinab. Und er habe dann auch so getan. Dafür muß er geisten und für ewig auf einer Käskiste in der tiefen Schlucht sitzen.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 386, S. 218f