227. Das Zungenmännle

Von Loresch kam durch den Wald ob den Rebhalden früher oft eine kleines, böses Männle herab bis in die Hägi und die Rönsi in Röthis. Es trug im'mer ein scharfes, krummes Messer und einen Holznapf bei sich. Wo es Kinder erwischte, schnitt es ihnen mit seinem krummen Messer die Zungen ab, daß sie nicht mehr schreien und nicht mehr reden konnten. Die Zunge legte es in das Näpfchen und es hatte schon viele darin. Im Herbst versteckte sich das Männlein in den Reben und packte die Kinder, wenn sie spiegeln gingen. — Jetzt will man nicht mehr ans Zungenmännle glauben, es heißt, das habe man nur den Kindern erzählt, damit sie nicht alle süßen Trauben vorwegnähmen.


Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 227, S. 135