285. Der stärkste Segen

Der Kroser kommt vom Bösen. In der Alphütte auf Gamp bei Nenzing ist schon oft ein schwarzer geisterhafter Mann gesehen worden, der über den Schnee ging, ohne eine Spur zu hinterlassen.

Treibt man vor der Alpenbenediktion das Vieh auf Gamp, dann sieht man diesen schwarzen Mann, wie er dem einen oder ändern Stück die Hand auf den Rücken legt; dadurch bekommen die Tiere den Kroser. Hält man die Haut eines am Kroser gefallenen Tieres gegen die Morgensonne, so sieht man auf der Fleischseite eine schwarze Hand mit den ausgespreizten fünf Fingern. Es kommt auch vor, daß nach der Alpenbenediktion ein Stück Vieh am Kroser verendet. Dann ist eben nicht der stärkste Segen gesprochen worden. Es gibt drei Segen, von denen der dritte am wirksamsten ist. Aber nur jene Geistlichen, die sich frei von aller Schuld, auch der geringsten, wissen, dürfen sich getrauen ihn anzuwenden, sonst sagt ihnen der Böse vor allen Leuten die Sünden. Einmal kam ein Geistlicher zur Alpenbenediktion, als gerade ein Tier am Kroser krankte. Er wandte den stärksten Segensspruch an; dabei schwitzte er wie ein Dachs und sein Bart wurde zusehends länger. Da warf ihm der Böse vor, er habe eine Rübe gestohlen. Doch der Geistliche erwiderte, er habe dafür einen Groschen ins Loch gesteckt, und er blieb Sieger. Das kroserkranke Tier wurde wieder gesund.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 285, S. 165f