417. Der Senner auf der See-Alp

Früher hat man es für Sünde gehalten, wenn einer die Gottesgabe nicht geachtet hat; es ziehe Unsegen nach. Und unser alter Knecht, der Marx, hat vielmal vom Zürser See-Alpsenn erzählt zur Vermahnung. Ein Senn dort drin hat allweg die Milch und das Molken vertoret. Da ein Plapp und dort einer hinaus ist ihm grad nett gleich gewesen. Das süßeste Rahmmus hat er überlaufen lassen, daß auf dem Herdstein rußige Rinde eine wüste Rummate gegeben habe. Kein Würmlein hat auf diese Weise etwas davon gehabt und kein Vögele.

Und wie tun die dann nur so schnägerlg über einem Liset, über Grüben und gelber Föla, ei, wie hätten sie bei dem fuhrigen Rahm ludebude gehabt! Aber so schwarze Leibete hat keins mehr gemocht. Und es hätt' dem Senn doch auch zu Sinn kommen können, wieviel Lüpfle und Schöpfte es braucht zu einer Brente Rahm. Einen Tag um den ändern müheliges Verleiden mit den Kühlein im Stall darf den Bauern nicht verdrießen, und wieviel Segen vom Himmel braucht es auch, wieviel Geratenlassen und wieviel Wachswetter und Sonnenschein für Kräutlein und Gras zum Futter! — Die Reichen sind bei dem Senn nicht reicher geworden, aber die Armen hat er in Not gebracht.

Wie der Senn verstorben ist, hat es ihm keine Ruhe gelassen. Manche Jäger und Hirten, die übernachtet sind, haben ihn gesehen. Gebückt ist er zum Herd hin, hat angefeuert und die Pfanne übergetan. Dann hat er im Jast auf der Steinplatte zusammengeschabt, was überlaufen und verschändet war, hat den rußigen Dreck in die Pfanne getan zum Kochen, auch eine Weile umgerührt und wie er fertig gewesen ist, gar denen hinübergeboten. Wer hat da nicht den Aberwillen gehabt? Alle haben ihn fortgeheißen, und traurig hat er dann die Pfanne wieder auf den Herd hinübergestellt.

Einmal aber ist ein armer Tschole droben gewesen. Wie der Geist wieder seinen Koch auf dem Pfannenknecht herbietet, hat er in der Angst und im Hunger zugelangt. Da ist es schon ohne jeden Mang das beste Rahmmus gewesen und der Bub hat es ausgeräumt bis zum letzten Schöpf. Auf das hat der Geist halt „Vergelt's Gott" gesagt und angefangen erzählen, wie er habe butzen müssen zur Strafe, bis etwer die Scharrate gegessen habe. Jetzt sei die versodete Gottesgab doch noch zunutze gekehrt worden und er habe abgebüßt und komme in die ewige Ruhe. Und im Augenblick hat ihn der Bub nicht mehr gesehen.

Heutigentags gibt es genug, die es kaum anders treiben als der Senn, — o Jungfern! Aber ist nicht auch ständig ein Jammer über schlechte und teure Zeiten?

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 417, S. 234ff