456. Gold, Silber und Kupfer

Der fahrende Schüler Hans Isabrech hielt oft Einkehr beim alten Steuli in Tschagguns und wurde immer gastfreundlich aufgenommen. Eines Tages sagte Isabrech zu seinem Wohltäter: „Du bist ein gutes Männle und hast mir schon viel Gutes erwiesen, obwohl du selbst arm bist. Ich möchte mich erkenntlich zeigen und deine Lage erleichtern. Bei Prazalanz ist eine verschüttete Kirche, in der befindet sich ein großer Schatz. Es steht in der Sakristei ein Trog mit drei Abteilungen.

In der ersten sind Gold-, in der zweiten Silber- und in der dritten Kupfermünzen. Ich darf für mich nichts von diesem Gelde nehmen; du aber kannst dir ohne jede Gefahr davon nehmen, soviel du willst. Doch darfst du nur von einer der drei Metallsorten nehmen, und die ohne ein Wörtlein zu schwätzen." Das Steuli ging auf den Vorschlag ein und die beiden wanderten miteinander in der Nacht nach Prazalanz. Zuletzt kamen sie zu einer Höhle. Sie traten ein und wanderten mit ihrem Kerzenlichtle eine Strecke weit durch einen unterirdischen Gang. Endlich stießen sie auf einen Kirchturm. Sie stiegen durch die Schallöffnungen hinein und kamen über die Turmtreppe in die Kirche hinunter. Isabrech öffnete die Sakristeitür und sie fanden den Trog. Da hob er den Deckel auf und bedeutete mit Gebärden dem Steuli, daß er jetzt zugreifen solle. Aber der gute Mann war so von Furcht ergriffen, daß er den Arm nicht nach dem Gelde auszustrecken vermochte. Isabrech sprach dem Steuli Mut zu, aber umsonst. Schließlich machte er den Trog wieder zu und sie traten miteinander den Rückweg an. Als sie heraußen waren, sagte der fahrende Schüler in seinem Unwillen zum Steuli: „Du bist doch der einfältigste Tropf, den es geben kann; du hättest leicht reich werden können ohne die geringste Gefahr, und jetzt hast du die Gelegenheit nicht benützt." Später machte das Steuli noch einmal einen Versuch, aber es fand den Eingang nicht mehr.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 456, S. 254f