50. Die Schloßfrau von Kuia

In nächster Nähe der Achbrücke bei Kennelbach, auf einer Anhöhe, stand früher die Ritterburg Kuia. Von hier soll ein unterirdischer Gang zum Schlosse Wolfurt und von diesem nach Niedegge, jetzt Riedenburg, geführt haben. In der Burg Kuia muß eine verstorbene Schloßfrau als Geist umgehen. Die wird nicht sobald erlöst. Im Volk heißt es: "Wer die Schloßfrau erlösen will, muß zu mitternächtlicher Stund dort einen Tannzapfen aufheben und in die Erde pflanzen. Das Tännlein, das daraus sprießt, muß zum stattlichen Baum wachsen, und wenn man ihn fällt, muß es sich fügen, daß man den Stamm in Bretter zersägt, eine Wiege aus ihnen macht und in diese als erstes Kind ein neugeborenes Knäblein legt. Das muß Geistlicher werden und der kann die Schloßfrau erlösen." Wie lange aber wird es dauern bis all dieses einmal eintrifft?

Einst ging in einer schönen Sommernacht ein beherzter Mann der Burgruine zu. Bald hatte er sie erreicht. Da trat im fahlen Mondschein die Schloßfrau mit einem breiten Hut auf dem Kopfe aus dem verfallenen Gemäuer heraus. In dem Augenblicke fiel ein Tannzapfen von einer Tanne herab, die auf den Trümmern hatte Wurzel fassen können. Der Mann hob ihn auf; nun hörte er die Burgfrau einen "Schollo" lachen und sie war verschwunden.

Da die Leute glauben, der letzte Ritter sei überfallen worden und er habe sein Geld und seine Kostbarkeiten vergraben, hat man oft nach Schätzen gegraben und gesucht. Man habe aber nur menschliche Gebeine und wertvolle Ofenkacheln ausgegraben.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 50, S. 52