195. Die Glöcklein auf dem Glopper

Das neue Emser Schloß hatte früher zwei Glöcklein; in dem größeren war ein Haar von der Muttergottes eingegossen. Es habe die Aufschrift getragen: „Leonhard Ernst goß mich zu Lindau." Diese Glöcklein hatten einen sehr lieblichen Klang und wurden jeden Tag mehrmals geläutet. Gar wenn ein Unwetter heraufzog, suchte man es durch den heiligen Klang der Glöcklein zu vertreiben und das war nicht immer vergeblich. Meistens zog das Unwetter gegen die Schweiz hinüber ab und verschonte das Land diesseits des Rheines. Als die Schweizer erfuhren, daß die Glocken auf dem Glopper daran Schuld seien, kamen sie auf das Schloß und boten soviel Geld, als es brauche, um sie bis zur Krone zu füllen. Die Emser waren aber nicht gesonnen, ihr wunderkräftiges Geläute zu veräußern und schlugen das Angebot aus. Sie taten gut daran, hatte sich doch die Kraft ihrer Glocken sogar gegen die unheilvollen Wettermachereien des Hexers Halbmuli bewährt, von dem andere Sagen melden. Als sich einmal ein schweres Unwetter am Himmel zusammenzog, wurden die Emserglöggli geläutet und der Halbmuli hatte sein Spiel verloren. Voll Wut soll er da gesagt haben, diesmal hätte er wohl viel zustande gebracht, wenn nicht zwei Hunde zu bellen angefangen härten. Unter den Hunden meinte er eben die beiden Glöcklein.

Später kamen die Glöcklein vom Glopper herab ins Reutekirchlein; sie sollen umgeschmolzen worden sein und niemand weiß, ob das heilige Haar Mariens noch unversehrt darin erhalten sei.


Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 195, S. 119f