307. Im Galgentobel
Zwischen Bludenz und Nüziders ist das Galgentobel, wo es nie richtig gewesen ist. Dort wurden die zum Tode Verurteilten gehenkt. Die letzte Person war das sogenannte „Bowollameigsche" (Baumwollenmädchen), welches an dieser Stelle wegen eines Diebstahls von fünf Gulden hingerichtet wurde. Dieser Galgen stand wenige Schritte ob der Galgentobelbrücke und die Geister der Gehenkten spukten in dieser Gegend. Es ging einmal ein Mann in der Nacht über die Galgentobelbrücke. Plötzlich kamen zahllose Raben, daß er unmöglich weiter konnte.
Eine große schwarze Katze wird oft in der Nähe vom Galgentobel gesehen. Eine Katzenfreundin nahm dieses unheimliche Tier einmal auf den Arm. Am ändern Tag hatte sie einen geschwollenen Kopf, gleich einem Bienenkorb. Ein gewisser Purtscher, der diese Sache wie es scheint nicht recht glauben wollte, ging einmal nach Mitternacht dort vorbei. Richtig sei ein Rudel Katzen gekommen und er schlug mit einem Stock auf sie. Am nächsten Morgen fand man ihn unter der Tschalengerbrücke, schrecklich zugerichtet und halbtot. Wie er dort hingekommen, wußte er nicht zu sagen. Man mußte ihn nach Bludenz ins Spital bringen.
Um Mitternacht wollte einmal ein Mann über die Galgentobelbrücke. Da kam im Galopp ein Zweispänner daher und der Mann sprang schnell zur Seite. Als das rasselnde Fuhrwerk mitten auf der Brücke war, verschwand es plötzlich.
Unten an der Straße standen früher viele Obstbäume am Galgentobel. Da wollten einmal mehrere Burschen Frühobst stehlen. Sie schüttelten eine Menge Äpfel und Birnen herunter und fingen an, das Obst beim Scheine des Mondes aufzulesen. Auf einmal fiel auf jeden Dieb eine große nasse Haut herab, welche ihn zu ersticken drohte. Die erschrockenen Burschen mußten diese Häute bis zu jenem Bildstöckle schleppen, welches ob der Straße am Galgentobel steht. Dort wurden sie wieder befreit.
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 307, S. 176f