537. Das Fenggenhirtle

Im Galgenuel hütete ein fremdes, wildes Knechtle die Geißen. Alle Tage kam es bis zu einem hohlen Stein nah beim Dorfe, aber weiter keinen Schritt. Dort wartete es auf die Hab, trieb sie auf die Allma und abends wohlbehalten wieder heim. So diente es sommerlang.

Im Herbst aber fragten es die Galgenueler, was es zum Lohn begehre? Da erwiderte es munter:

"Gitziligäß, Zimbiligara,
gib mr Gäßlar an Ziger mara,
lega undara hohla Ste,
kan-i-n-a mara met mr neh!"

Weil die Leute solches Begehren bescheiden dünkte, legten sie zum Ziger eine Marentbulga mit Wacholderschnaps und ein rotes Schlüttle. Am nächsten Morgen stellte das Männle sich richtig wieder ein beim hohlen Stein. Wohlgefällig sah es alles, schloff ins schöne Röckle, drehte sich rundum und rief:

"Bui-bui weideli Ma,
d'Gäß nömma hüete ka,
Hanseli hüetet nömma d'Gäß,
Hanseli ist da Gäßa z'wäch!"

Und mit der Marentbulga und dem Ziger sprang es fort und ließ sich nimmer blicken.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 537, S. 287f