407. Der Geist auf dem Farschtwegle

Jetzmalen glauben Lützel mehr an Hexen und Bütz. Jeder Sergel traut sich anfangen zumitten in der Nacht dem Forscht nach auf und ab, wo man doch früher allbot einen Geist gesehen hat. Trost ihn Gott, mein Tätta selig hat mengsmal erzählt, wie ihm einmal auf dem Farschtwegle gegangen sei. Mein Tätta, der Franzanton von Radin, ist sonst als Lediger ein ziemlich fruetiger, kuraschierter Mann gewesen und hat allerhand Molesten mitgemacht. Da hat er einmal wollen an einem Heiligtag oberhalb heraus gegen Rungelin zur Stubete, was man sonst halt an solchen Tagen nicht sollte. Wie er dem Forscht nach herunterkommt, da hört er von der Funtanella herauf ein bedauerliches Gejammer, grad zum Erginzen. Er meint, man plütsche da drunten recht hirnmütig zusammen und geht seinen Tapp weiter, heraus durch die Bongert dem Dörfle zu. Aber sein Schatz, die rote Goldnerin, habe weder Feuer noch Licht gehabt. Da plampt er wieder allsgemach dem Forscht zu und will wieder auf demselben Weg heim hinein gen Radin. Jetzt hört er schon wieder das jämmerliche Brieschen, aber diesmal kommt es gstet, gstet näher.

Da losnet er ein bißchen und sieht einermal eine große, schwarze Gestalt und die sagt allweg: „Oh Jessas Mareia, oh Jessas Mareia." Solche Spergamenten haben dem Tätta anfangen ein bißchen dötterlet und er ist ziemlich nötig dem Farschtwegle nach hinauf, aber die Gestalt geht im allweg hart nach. Im Jast verliert er noch den Hut, aber er traut sich nicht mehr zurück. Beim Wurzawegle will er dem Gejammer ausstellen und rankt gegen Gassünd hinauf. Aber bloß ist er ein paar Schritte vor sich hingetappt, da trolet er roggis-boggis abhin und der Gestalt grad vor die Füße. Könnt ihr denken, daß er denweg nicht grad vernoret ist! Wie ein Gitzi ist er aufgesprungen und so weidlich als möglich durch den Hellwald hineingelaufen über Stock und Stein. Bis zum Gastäzer Stiegele verließ ihn das unheimliche Gejammer nicht; aber dort ist die Gestalt patsch verschwunden. Durch Hintergastaz hinab habe es im Wald droben geklepft und gebraschelt, als ob der letzte Büschen umfalle. Am Nachheiligtag sei der Tätta wunderswegen gen Hintergastaz hinauf und habe wollen das Angericht gehen anschauen; aber es sei alles wieder im alten gewesen. Der Tätta hat kein geschwollenes Gesicht bekommen, weil einem ordentlichen Stubetebub nichts Böses zuhinmag. Eine seiner Basen ist ein paar Abende mit einem großen Buch Hintergastaz zu hinauf und hat den Geist erlösen wollen. Aber er ist nicht mehr gekommen.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 407, S. 229f