202. Das bodenlose Loch

Auf dem Felde zwischen Altach und Götzis ist ein Wasser, dem sagt man im Volke das bodenlose Loch. An der Stelle stand vor Zeiten eine reiche Mühle. Durch furchtbaren Frevel wurde sie von der Erde verschlungen.

Es war an einem Karfreitag. Alle Welt feierte diesen Tag der Trauer, nur in der Mühle trieben es die gottlosen Kinder ärger als zur Fasnachtszeit, obwohl ihr Vater im Sterben lag. Nicht einmal ein Priester wurde dem Armen geholt, daß er sich auf den Tod hätte vorbereiten können.

Diese Untat rief des Himmels Strafe über die reiche Mühle herab. Die Mühle sank mit allem, was darin war, in die Tiefe und an der Stelle des Gebäudes blieb nur ein Loch, das unergründlich tief ist. Wenn man in stürmischer Nacht in der Nähe vorbeigeht, hört man ein leises Klagen wie die letzten Seufzer eines Sterbenden, aber es ist vielleicht nur das Geräusch des Röhrichts, wenn es vom Winde bewegt wird.


Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 202, S. 123f