361. Armer Thomas

Auf der rechten Seite des Tschürtschtobels in Sonntag findet sich nahe am Weg eine kleine Mulde im Boden, die im Winter fast aper bleibt, und mag sich rings der Schnee noch so hoch schichten. Wie in ein tiefes Loch sieht man dann hinab. Einmal im Winter schritt dort bei hellem Sonnenschein ein Mann vorbei, den die Leute nur den Thomas hießen. Da zeigte sich ihm auf dem apern Boden in der Tiefe ein großer Kessel voll Gold bis zum Rande. Er schaute und staunte lange hinab, lange, bis der Kessel verschwand. Wie im Rausch kam er davon heim und erzählte. Da meinte einer: "Hättest deine Kappe drein werfen sollen, dann wäre das Gold dein eigen!" Und in dem Verlangen nach dem gleißenden Schatze warf nun der einfältige Mann die Kappe hinab, so oft er vorbeikam. Er tat es vergeblich und starb in Armut. Viele andere schauten seitdem in die Mulde hinein, die sie zuvor nie beachtet hatten, und dachten: O, du armer, närrischer Thomas.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 361, S. 207