Willeweiß
        
        Als der wilde Mann in  Welschnofen  
        sein Unwesen trieb, lebte dort ein Weiblein, das  Willeweiß,  
        hieß. Sie lebte beim  Geiger  auf  Kar,  
        einem einschichtigen Gehöfte, abseits vom Thale. Wenn morgens auf 
        dem Herde aufgefeuert wurde, saß sie am Feuer, redete nicht, deutete 
        nicht, - und alle hatten Scheu vor dem kleinen grauen Wesen. Längst 
        wäre man das stille Weiblein losgeworden, - aber alles war umsonst. 
        Da kam einmai ein frommer Kapuziner zum Hofe und gab guten Rath. Er sagte 
        zur Bäuerin, sie solle nachts Eier aufschlagen und deren Schalen 
        auf den Herd stellen. Sie that es. Des Morgens kam die Willeweiß, 
        und als sie die Schalen sah, sagte sie:
        
      
		 
      
      ich gedenk in K a r
Neunmal Wies und neunmal Wald,
Das Reiterjoch ein Goldwurzel,
Die Plengger Lammer ein Messerkling,
Die Rotwand ein Kinderhand,
Den Schlern als ein Nußkern,
Aber so viel Hafelen auf einem Herd,
Hab' ich meiner Lebtag noch nicht geseh'n!"
Mit diesen Worten zog sie aus Küche und Hof und war für immer verschwunden. (Welschnofen.)
Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 78, Seite 53: