Kostbarer Weizen

In Wildschönau erzählt man von einem Bauer, den auch einmal sein guter Stern zu einem Schatz geführt. Derselbe machte sich eines Tages auf die Beine, um auf einem Jahrmarkt eine tüchtige Milchkuh zu kaufen. Wie er so dahingieng, sah er plötzlich ein Häuflein schönen Weizens mitten auf der Landstraße. Es reute ihn, die kostbare Gottesgabe so liegen und von den Wagen zerfahren oder von den Rossen zerstampfen zu lassen. Er schob so viel Weizen, als er nur konnte, in alle seine weiten Taschen. Diese wurden, als er an rt und Stelle, wo er die Kuh kaufen wollte, anlangte, so schwer, als ob er lauter Steine darin hätte. Er griff hinein, um zu erfahren, was dahinter stecke. Da fand er zu seiner Verwunderung, daß sich jedes Weizenkorn in einen glitzernden Sechser verwandelt hatte. Nun faßte er den Vorsatz auf dem Rückweg alle Körnlein fleißig aufzuheben und machte sich sobald als möglich wieder auf die Füße. Als er an den Platz hinkam fand er aber keine Spur mehr vom Weizen, die Straße war wie abgekehrt. (Beilage zur Donau 1855 Nr. 392.)

Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 599, Seite 338.