Das Venediger Mannl und der Latzfonner
        
        Ein Nöcklbauer von Latzfons wallfahrtete nach Rom. Als er zu Venedig 
        durch eine Gasse gieng, rief ihm ein Herr aus einem Hause herab zu: "Nöckel, 
        seid ihr auch hier?" Der Bauer staunte, hier einen Bekannten zu finden, 
        gieng aber dennoch in das Haus hinauf und fand dort einen Herren, den 
        er nicht kannte. Der Herr begegnete ihm sehr freundlich und sprach: "Ich 
        habe auf deinem Heu oft übernachtet und in der Nähe deines Hofes 
        oft am Brünnlein Goldsand gegraben. Jetzt bin ich reich und wohne 
        mit den Meinigen hier und brauche mich nicht mehr abzumühen." Der 
        Bauer konnte sich nun allmählig eines Männchens erinnern, das 
        in seinem Stadel oft übernachtet war, und bat ihn, er möchte 
        ihm doch das Brünnlein bezeichnen, bei dem der Goldsand zu finden 
        ist. - Der Herr beschrieb es ihm, trug ihm aber auf, dies Geheimnis sonst 
        Niemandem zu offenbaren. Der Bauer gieng nun nach Hause und grub dort 
        Goldsand, vertraute aber bald das Geheimniß seinem Weibe an. Als 
        er mehrere Säcke schon gefüllt hatte, gieng er damit nach Venedig, 
        um das Gold dem Herrn zu verkaufen. Dieser empfing ihn aber ganz unwillig 
        und sprach: "Ich kann mit diesem Sande nichts machen. Du hast mir nicht 
        gefolgt und das Geheimniß verraten, und so nützen dir auch 
        deine Wallfahrten nach Rom keinen Pfennig, weil du dein Versprechen nicht 
        gehalten hast." (Vilanders.)
        
        
        Quelle: Sagen, Märchen und Gebräuche aus 
        Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz Vinzenz Zingerle, Innsbruck 
        1891, Nr. 152, Seite 93.