Der Rothmoosgeist

Vor länger Zeit lebte zu Hall eine reiche Schlosserin, die gar stolz und hartherzig war. Die ärmsten Leute wies sie mit Scheltworten von ihrer Thüre, dagegen fütterte sie ihre Schweine mit Weißbrot. Endlich war das Maß ihrer Frevel voll und sie starb ohne Licht und Sakrament. Seitdem war es aber im Hause gar unheimlich, denn sie gieng als Geist um und störte die nächtliche Ruhe. Endlich bannte sie ein alter Franziskaner in das Rothmoos, ein dichtes Waldstück ob dem Wiesenkirchlein im Gnadenwalde. Im Waldgebüsche dort spuckt [spukt] der Geist noch und lockt Schweine. Auch soll es dort sonst nicht geheuer sein und oft werden späte oder allzufrühe Wanderer irre geführt. Vorzüglich begegnet dies öfters Hirten, die das Vieh am Wiesenkirchlein vorübertreiben müssen, wenn sie auf die Alm fahren. (Bei Hall.)

Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 471, Seite 265.