Oswald Milser

Im vierzehnten Jahrhundert saß auf dem Schlosse Schloßberg Oswald Milser, ein gar stolzer und reicher Herr. Dieser vergieng sich in seinem Übermuthe so weit, daß er im Jahr 1384 bei der Osterkommunion eine große hl. Hostie, wie die Priester sie aufwandeln, vom Pfarrer zu Seefeld verlangte. Dieser einfältige Herr wagte nicht, dem frechen Ritter es zu weigern, und reichte ihm am Weihenpfinztag eine große hl. Hostie. Doch kaum hatte sie die Zunge des Ritters berührt, hub der steinharte Grund vor dem Altar an unter seinen Füßen zu wanken und zu sinken. In der Angst suchte er sich mit beiden Händen am Altarsteine zu halten, doch dieser gab nach, als ob er weiches Wachs wäre, also daß sich seine Hand deutlich in den Stein drückte. Schon war Oswald halb versunken, da fühlte er einige Rene und bat den Pfarrer, ihm die hl. Hostie aus dem Munde zu nehmen. Kaum war dies geschehen, stand der Boden wieder fest. Als des Milsers Hausfrau, eine v. Starkenberg, zu Hause auf die Ankunft ihres Ehewirthes wartete, kam ein Bote und meldete, was in der Kirche geschehen war. Sie wollte ihm aber keinen Glauben schenken und sprach:

"Eher werde ich glauben, daß auf diesem dürren, verfaulten Stocke Rosen wachsen."

Kaum hatte sie dies gesagt, grünte der trockene Stock, bei dem sie stand, und kamen plötzlich gar schöne, schneeweiße Rosen hervor. Darob erzürnte sie noch mehr, riß die Rosen herab und warf sie trotzig zu Boden. In demselben Augenblicke ergriff sie der Wahnsinn, und alsogleich lief sie in den Scharnitzer Wald hinaus, wo sie am andern Tag eines gähen Todes starb. -

Oswald selbst begab sich nach Stams in das Kloster, wo er zwei Jahre noch lebte und durch strenge Buße seinen Frevel sühnte. Er liegt dort in der Milser-Kapelle begraben. Der sammt'ne Mantel, den er am grünen Donnerstage getragen hatte, wurde zu einem Meßkleide gemacht, das heutzutage noch in der Kirche zu Seefeld sich befindet. Die Wunderhostie, die im Munde des Sünders blutroth geworden war, wird in einem eigenen Gefäße in der Blutskapelle ebendort aufbewahrt. (S. v.)

Bildliche Darstellung vom "Seefelder Hostienwunder" siehe Wunderbare Quelle, Brixental

Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 867, Seite 504f